Erstes Islamkundebuch für weiterführende Schulen

Ein Edelstein im Schulranzen

Stand: 12.09.2008, 12:29 Uhr

Unter ihren Schülern an der Hauptschule Glückauf in Dinslaken fällt Lehrerin Lamya Kaddor mit ihrem jugendlichen Aussehen kaum auf. Für umso mehr Aufmerksamkeit sorgt sie als Mitautorin von "Saphir", der ersten Schulbuchreihe für junge Muslime.

Lamya Kaddor

Lamya Kaddor

Als Lehrerin erlebt Lamya Kaddor häufig, dass die Schüler den Koran zwar auf arabisch lesen können, aber kaum etwas über Inhalt und Bedeutung wissen. Bisher stützte sich Islamkunde auf "lose Materialsammlungen, die ein Schulbuch nicht ersetzen können", wie Kaddor erklärt.

Nun ist das erste Lehrbuch der Saphir-Reihe für die Klassen Fünf und Sechs erschienen. Am Freitag (12.09.2008) stellt Kaddor es in Köln vor. Fassungen für die Klassen Sieben und Acht, sowie die neunte und zehnte Klasse werden folgen. Texte, Bilder und Übungsaufgaben vermitteln den Jugendlichen die Grundlagen des Islams. So sollen sie zum Beispiel eine Woche lang ihre guten Taten aufschreiben und anschließend bewerten. Oder es wird gefragt, warum man betet und wie in unterschiedlichen Religionen gebetet wird.

Für den Titel "Saphir" entschied sich der Kösel-Verlag, weil der Edelstein als Symbol für "Wertvolles steht", erklärt eine Sprecherin. "Etwas Strahlendes, das zugleich viele Facetten und Ansichten aus unterschiedlichen Blickrichtungen bietet - wie auch der Islam."

WDR.de: Was ist das Besondere an der Schulbuchreihe "Saphir"?

Lamya Kaddor: Es ist die erste dieser Art, die es überhaupt auf dem deutschen Markt gibt. Sie richtet sich gezielt an muslimische Schülerinnen und Schüler, die entweder Islamkunde in deutscher Sprache, oder, wenn es ihn dann irgendwann mal gibt, islamischen Religionsunterricht haben.

Ein Schulbuch wie in der Form von "Saphir" gab es bisher nicht. Bisher gab es immer nur diese losen Materialsammlungen. Aber ein Unterrichtsbuch mit konkreten Arbeitsaufgaben, altersgerecht aufgearbeitet, das ist neu.

WDR.de: Galt es, bei der Realisierung Widerstände zu überwinden?

Kaddor: Die Idee gibt es schon seit drei, vier Jahren. Wir haben geeignete Autorinnen und Autoren gesucht und relativ zügig gefunden. Dann ging es an die Arbeit - das Schulbuch, das jetzt auf den Markt kommt, das war vorher praktisch schon zweieinhalb, drei Jahre in Bearbeitung.

Die Widerstände von Seiten deutscher Schulbehörden waren nicht wirklich groß. Das Buch wurde erst einmal von den Autoren, beim Herausgeber und im Verlag bearbeitet, und dann erst an die Ministerien geschickt. Die haben relativ schnell genehmigt. Es ist direkt in vier Bundesländern genehmigt worden. Das war eigentlich gar nicht so einfach, weil es islamischen Religionsunterricht ja noch gar nicht gibt.

Aber das ging bisher alles recht problemlos - wir sind da guter Laune. Auch, was die islamischen Verbände betrifft, die die Bücher vorab im Manuskript gesehen haben, und deren Ratschlag und Meinung wir gerne gehört haben. Bisher gab es aber konkret noch keine kritischen Stimmen.

WDR.de: Warum war das Buch zu Beginn des neuen Schuljahres in Nordrhein-Westfalen noch nicht erhältlich?

Kaddor: Das hatte einen konkreten Grund. In Nordrhein-Westfalen war es relativ schnell genehmigt. Man hätte es hier schon einführen können. Das Problem lag in Bayern, wo der zuständige Ministerialrat erkrankt war. Da hatten wir dann auch kein Interesse daran, das Buch für NRW zu drucken, und später dann noch mal in Bayern, wo dann möglicherweise die kleinsten Änderungen gewünscht gewesen wären. Deshalb haben wir gewartet. Inzwischen ist der Ministerialdirigent wieder gesund, und das Buch auch in Bayern genehmigt.

WDR.de: Wenn es von Seiten der Behörden und der muslimischen Verbände keine Widerstände gab, ist von den Eltern noch etwas zu befürchten?

Kaddor: Der Koran für Kinder, den ich mit Rabeya Müller bearbeitet habe, war eine andere Sache. Der hat für mehr kritische Stimmen gesorgt, weil das Bilderverbot aus Sicht einiger sehr konservativer Muslime vielleicht überschritten worden ist. Das mag man so oder so sehen. Das ist in dem Schulbuch nicht so gegeben. Im Schulbuch wird penibel darauf geachtet, dass bestimmte Maßstäbe eingehalten werden: Dass das Bilderverbot nicht wirklich übergangen wird, dass Mohamed nicht abgebildet wird, dass keine besonders berühmten Persönlichkeiten der islamischen Geschichte gezeigt werden. So, dass wir wirklich glauben, dass es auch den Älteren sehr genehm sein wird.

Natürlich hat es einen modernen religionspädagogischen Ansatz, aber unter Einhaltung bestimmter muslimischer Wertvorstellungen.

WDR.de: Ist denn eigentlich die Übersetzung von Koranversen ohne weiteres erlaubt?

Kaddor: Ja, aber möglich sind ohnehin nur ungefähre Bedeutungen. Eins zu Eins-Übersetzungen gibt es gar nicht. Aber auch wenn sie das Deutsche ins Arabische übersetzen wollen, geht das nicht Eins zu Eins. Das ist unmöglich. Deshalb spricht man beim Koran, egal in welcher Übersetzung, immer von einer ungefähren Bedeutung.

WDR.de: Alles in allem ist solch ein Schulbuch aber wohl ein wichtiges Mittel zur Integration...

Kaddor: Absolut. Ich denke, das wird definitiv die Geschichte des Islams und der Integration der Muslime in Deutschland, vielleicht sogar in Europa, entscheidend mitprägen. So ein Buch wird sich in der Schule vielleicht über ein, zwei Jahrzehnte halten, und damit entscheidend einwirken.

Das Gespräch führte Vera Kettenbach.