Alter Mensch sitzt vor einer Tasse und einer Scheibe Brot

Hearing zu Gerechtigkeit und Frieden

Sie sind gekommen, um zu diskutieren

Stand: 18.08.2005, 11:46 Uhr

Einer der wenigen politischen Programmpunkte des Weltjugendtags ist das "International Youth Hearing". Rund 300 Jugendliche kamen am Mittwoch (17.08.2005) dorthin - nicht um zu singen oder zu beten, sondern um über eine gerechtere Welt zu sprechen.

Von Susanne Sitzler

Die Moderatorin hat Mühe mit den jungen Gästen: "Jetzt aber wirklich nur noch ganz kurz", sagt sie bereits zum dritten Mal, bevor sie dem jungen Bolivianer das Mikrofon reicht. Man ist schon über der Zeit, aber offensichtlich haben die Jugendlichen aus 16 Nationen ein großes Bedürfnis, sich auszutauschen.

Gerade geht es um Kinderarbeit, und besonders viele Lateinamerikaner melden sich zu Wort. Alex aus Peru berichtet, dass er selbst seit seinem sechsten Lebensjahr arbeitet - um seine Familie zu unterstützen. Er habe keine andere Wahl und kämpfe nun in einer Organisation dafür, dass Kinder in Würde arbeiten können. Eine junge Frau aus Peru lehnt das ab: "Man muss Kinderarbeit verbieten", sagt sie. Ricardo aus Bolivien meint, man sollte lieber über die Ursachen der Verarmung sprechen - wie könne es sein, dass Länder, die reich an Bodenschätzen sind, doch verarmen?

Ziel: eine gerechtere Weltordnung

Die Diskussion ist in vollem Gange, und alles geht ein wenig durcheinander, da melden sich auch diejenigen auf dem Podium zu Wort, die gekommen sind, um den Jugendlichen zuzuhören: die Politiker und Geistlichen. "Die Ausbeutung der Kinder zu beenden ist Aufgabe der ganzen Welt", erklärt Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD). Doch auch auf dem Podium ist man sich nicht einig. Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga aus Honduras, der sich seit langem mit den Problemen des Südens beschäftigt, sieht das anders: "Die Vorschläge der ersten Welt gehen oft am Leben dieser Kinder vorbei. Die Kinder haben ein Recht, ihre Familien zu unterstützen", sagt er, und fügt hinzu, wie stolz er sei, dass es Jugendliche wie Alex gebe.

Das "International Youth Hearing" ist eine der wenigen Veranstaltungen des Weltjugendtags, bei der es um politische Inhalte geht. Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), die Hilfsorganisation Misereor und die katholische Kommission Justitia et Pax haben sie organisiert. Schon im Vorfeld konnten Interessierte in Internet-Foren zu den Themen des Hearings Stellung nehmen. Die verschiedenen Diskussionspunkte - Recht auf Bildung, Arbeit, Gesundheit, Nahrung, Frieden und Bewahrung der Schöpfung - zielen letztlich alle auf die Frage: Wie ist eine gerechtere Weltordnung möglich?

Armut halbieren - aber wie?

Die Themen orientieren sich an den "Millenium Goals" der Vereinten Nationen - den Milleniumszielen. Das wichtigste ist, die weltweite Armut bis zum Jahr 2015 zu halbieren. Deutschland hat sich wie viele andere Länder auf dem UN-Gipfel im Jahr 2000 dazu verpflichtet, die Vorraussetzungen dafür zu schaffen. Aber die Umsetzung läuft schleppend. Deshalb sind auch Zuständige der Vereinten Nationen zum Youth Hearing gekommen - denn der Weltjugendtag bietet ihnen ein geeignetes Forum: "Natürlich sind christliche Jugendliche aus ihrem Glauben heraus offener für unsere Themen", sagt Renée Ernst, UN-Beauftragte für die Milleniumskampagne in Deutschland. Was die Jugendlichen hier an Ideen zusammentragen, soll auf dem nächsten UN-Gipfel im September vorgestellt werden.

Nicht nur "Praise the Lord"

Doch die Zeit ist zu knapp für die vielen Themen. Eine Gruppe von Kolumbianern aus Medellin, die ihr Straßen-Projekt gegen Gewalt und Waffen vorstellen wollte, kommt nur noch kurz zum Zug. Ein wenig enttäuscht sind sie danach schon. Auch Clemence aus Ruanda bleiben nur wenige Minuten um zu erläutern, wie sie als Streetworkerin gegen die Verbreitung von Aids arbeitet. Trotzdem sind die meisten Teilnehmer froh, dass die Veranstaltung im Programm war. "Ich fand es gut, dass Leute aus ihren Ländern konkret berichtet haben", sagt Marie. "Sonst ist hier alles so 'Praise The Lord'", unkt ihre Freundin Angela. Sie war mal bei einem Ökumenischen Kirchtag, da habe es mehr politische Workshops gegeben. Und Raphael, der nicht katholisch ist und nur aus Interesse am Thema zum Hearing gekommen ist, meint: "Die Kirche hat politischen Einfluss, also wollen die Leute auch darüber reden."