Allerlei, kein Einheitsbrei
Kommentar zum Kirchentag
Stand: 10.06.2007, 08:35 Uhr
Das war er also, der 31. Evangelische Kirchentag. Rund 100.000 Menschen kamen zum Abschluss auf die Poller Wiesen - rund eine Million Menschen soll in den vergangenen fünf Tagen eine oder mehrere Kirchentagsveranstaltungen besucht haben. Doch was bleibt von dieser christlichen Großveranstaltung außer vielleicht einem vorübergehenden Schlafdefizit bei den Teilnehmern und einem kurzzeitigen guten Gefühl?
Von Urs Zietan
Auf lange Sicht könnte dieser Kirchentag als fröhlich, deutlich und kritisch im Gedächtnis bleiben - getreu dem Motto des Treffens: "Lebendig und kräftig und schärfer".
Fröhlich-lebendig war dieser Kirchentag, weil Hunderttausende ein riesiges, christliches Fest gefeiert haben, singend, betend, orange Schals winkend. Sie haben gezeigt, dass weder Glaube noch Kirche verkrampft oder tot sind, sondern sehr lebendig und guten Mutes. Sie bliesen ihre Blechblasinstrumente und sangen lauthals christliche Lieder - am Samstagabend sogar mit Unterstützung von Bundespräsident Horst Köhler.
Deutlich und kräftig war der Kirchentag, wenn es um die Konsensthemen dieses Laientreffens ging: Bei der Globalisierung darf der Mensch mit seiner Würde nicht vergessen werden, diese Botschaft stand sinngemäß auf den vielen zigtausend orangen Schals, die die Kirchentagsbesucher sich um den Hals, den Kopf oder die Taille gebunden hatten. Ebenfalls deutlich das Zeichen an die Anti-G8-Demonstranten in Rostock: Der Kirchentag stimmte in den Protest mit ein, distanzierte sich aber laut und glaubwürdig von jenen, die meinten, dass dieser Protest gewaltsam sein müsse.
Kritisch - also scharf - waren diese fünf Tage in Köln vor allem, als es um den G8-Gipfel von Heiligendamm ging: Hier haben die Kirchentagsteilnehmer mit sich und den Vortragenden gerungen um eine Vision von einer besseren Zukunft. Zentrale Frage: Wie kann die Globalisierung gemeistert werden, ohne dass der Mensch dabei auf der Strecke bleibt? In Köln wurden Antworten nicht hinter verschlossenen Türen gesucht. Hier gaben sich die Mächtigen wie Angela Merkel, Horst Köhler oder Franz Müntefering genauso ihr Stelldichein wie die Kritiker Mohammed Yunus oder Bischof Tutu. Als Denkfabrik der Kirchenbasis hat der Kirchentag funktioniert. Er hat Visionen aufgezeigt und Forderungen gestellt. Jetzt liegt es an den einzelnen Gemeinden und Landeskirchen, beim Umsetzen der Forderungen auf lokaler und globaler Ebene mitzuwirken.
Der Kölner Kardinal Meisner hatte vor dem Kirchentag angemerkt, das Programm erwecke den Eindruck eines "Leipziger Allerleis". Da hat er sicherlich recht, man kann sich bei der Lektüre des 600-Seiten-Programmhefts wirklich verheddern (aber das war beim 575-Seiten-Programm des letzten Katholikentags sicher nicht anders). Dieser Kirchentag hatte jedem, der sich auch nur ansatzweise für Kirche interessiert, allerlei zu bieten. Allerlei Lebendiges, Kräftiges und Scharfes, aber ganz gewiss keinen Einheitsbrei. Das hätte auch zu einem Kirchentag nicht gepasst.