Einzug der Kirchenabgeltungssteuer
Kirchenaustritte wegen Steuer-Einzugsverfahren?
Stand: 14.08.2014, 16:19 Uhr
Schon 2013 klagten evangelische und katholische Kirche über die steigende Zahl der Kirchenaustritte. Der Trend scheint sich 2014 noch zu steigern. Ein Grund könnte das ab 2015 geltende neue Verfahren zum Einzug der Kirchensteuer auf Kapitalerträge sein.
Im gesamten Jahr 2013 verlor die evangelische Kirche von Westfalen (EKvW) rund 12.000 ihrer Schäfchen. Von Januar bis Juni 2014 waren es bereits 7.000. Einen der Gründe dafür sieht Klaus Winterhoff, juristischer Vizepräsident der EKvW, in der aktuellen Diskussion um die sogenannte Abgeltungssteuer.
Steuer auf Kapitalerträge
Die Kapitalertragssteuer wird seit 2009 erhoben. Aktuell werden für Zinsen und Dividenden, welche die Freigrenze von 801 Euro beziehungsweise 1602 Euro für Verheiratete und Lebenspartner überschreiten, 25 Prozent Abgeltungssteuer fällig. Darauf kommen zusätzlich noch 5,5 Prozent Solidaritätszuschlag und für Kirchenmitglieder neun Prozent Kirchensteuer. Bisher gab man üblicherweise selbst seine Kapitalerträge in der Einkommenssteuererklärung an - das Finanzamt leitete die fälligen neun Prozent an die Kirchen weiter.
Von der Bank zum Finanzamt
Ab 2015 wird die Kirchensteuer auf Kapitalerträge direkt bei den Banken erhoben. In der Regel kennen die Banken jedoch nicht die Religionszugehörigkeit ihrer Kunden. Deshalb werden Banken künftig einmal jährlich beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) die Kirchenzugehörigkeit ihrer Kunden abfragen. Das ist aber nicht jedem Recht. Beim BZSt kann man dem widersprechen.
Von Kunden, die dem Verfahren nicht widersprechen, übermittelt das BZSt einen verschlüsselten Code an die zuständige Bank. Für deren Sachbearbeiter sei die Religionszugehörigkeit des Kunden nicht erkennbar.
Keine neue Steuer
Gründe für die Zahl der Kirchenaustritte im Zusammenhang mit dem neuen Einzug der Kirchenabgeltungssteuer sieht Albert Henz, Theologischer Vizepräsident der Evangelischen Kirche von Westfalen, in Sorgen um den Datenschutz, Angst vor versteckter Steuererhöhung - und mangelnder Information. Tatsächlich seien aber nur wenige überhaupt von der Kapitalertragssteuer betroffen. Und auch den Bedenken, es gehe um eine Erhöhung der Kirchensteuer, widerspricht Henz: "Niemand zahlt mehr Steuern als bisher. Lediglich das Einzugsverfahren ist vereinfacht worden."
Neuerung "ungünstig kommuniziert"
Jens Peter Iven, Sprecher der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR), erklärt, man habe Zahlen zu Kirchenaustritten in 2014, die "einen Zusammenhang mit dem neuen Einzugsverfahren nahelegen". Und er räumt ein, dass man das Ganze "ungünstig kommuniziert hat". Es sei nicht gelungen, vorab zu erklären, dass es nicht um eine neue Steuer oder eine Steuererhöhung geht. Auch die Qualität der Informationen der Geldinstitute an ihre Kunden sei "unterschiedlich gewesen". Nun will die EKiR ihre Information fortsetzen. "Es wäre aber sicher schöner gewesen, wenn das vorher besser geklappt hätte."
Steuerpflicht nicht jedem bekannt
Auch beim Erzbistum Köln legt man Wert auf die Feststellung, dass es sich nicht "um eine neue oder zusätzliche Besteuerung" handelt. Zudem seien Personen, die ihren Banken Freistellungsaufträge erteilt haben oder vom Finanzamt auf Antrag eine Nichtveranlagungsbescheinigung erhalten haben, von dem neuen Abzugsverfahren überhaupt nicht betroffen.
Trotzdem ist man sich darüber im Klaren, dass das neue Verfahren zu Irritationen führen kann. Die Nachfragen hätten sich gemehrt. Aus manchen Anfragen habe man "allerdings auch schließen" können, "dass manche Kirchensteuerzahler durch die Anfrage der Banken wohl überhaupt erst von der Steuerpflicht ihrer Kapitalerträge erfahren haben". Man müsse "gleichwohl davon ausgehen, dass der ganze Vorgang zu Austritten geführt hat". Zahlen lägen "dazu allerdings keine vor, weil ein Austritt beim jeweils zuständigen Amtsgericht erklärt wird und dabei auch kein Austrittsgrund angegeben wird". 2013 zählte das Erzbistum Köln 17.012 Austritte, nach 10.547 in 2012 und 11.940 in 2011. Als hauptsächliche Ursache für den Anstieg 2013 machte man die Folge von Limburg sowie den Krankenhausskandal ("Pille danach") aus.
Zur aktuellen Zahl der Austritte in 2014 macht man auch beim Bistum Münster keine Angaben. Ein Sprecher erklärt, dass es "eine Vereinbarung der deutschen Bischofskonferenz gibt, nach der die Bistümer die Zahlen der Kirchenaustritte gemeinsam an einem Termin im Jahr veröffentlichen." Zwischen diesen Terminen würde man keine Aussagen treffen.