Computerspiele und Urheberrecht
Wenn Gamer zu Schöpfern werden
Stand: 15.08.2012, 06:00 Uhr
Die neuesten Entwicklungen auf dem Markt für interaktive Spiele werden ab Mittwoch (15.08.2012) auf der Gamescom in Köln gezeigt. Viele Gamer warten aber nicht erst auf die Neuheiten, sondern programmieren selbst Spielerweiterungen. Doch Verstöße gegen das Urheberrecht werden eisern verfolgt.
Am Mittwoch (15.08.2012) startet die Gamescom, die weltweit größte Messe für interaktive Spiele in Köln. Einen Tag später öffnet sie auch dem breiten Publikum die Pforten. Dann können die Gamer die über 300 angekündigten neuen Titel testen, darunter Fortsetzungen wie die des Konsolen-Blockbusters "Tomb Raider" oder eine neue Erweiterung des Rollenspiel-Klassikers "World of Warcraft". 845 Millionen Euro Umsatz verzeichnete die Branche im ersten Halbjahr 2012 in Deutschland. Die Diskussion um Urheberrechte ist dabei so aktuell wie nie, denn mit Browsergames und Spielen für Mobilgeräte steigt die Konkurrenz für PC- und Konsolengames. Rechtsanwalt Daniel Elgert, Experte für Urheber- und Internetrecht, und Valie Djordjevic, Redakteurin beim Urheberrechts-Informationsportal iRights.info, beantworten die wichtigsten Fragen zum Thema.
WDR.de: Was genau ist an einem Computerspiel urheberrechtlich geschützt?
Daniel Elgert: Sondertarif für Schüler
Daniel Elgert: Nach dem Urheberrechtsgesetz sind Computerprogramme, also auch Computerspiele, ausdrücklich gesetzlich geschützt. Von diesem speziellen Schutz umfasst sind grundsätzlich sämtliche Gestaltungsformen wie Quellcode oder Programmsprachen einschließlich des Entwurfsmaterials, nicht aber Benutzeroberflächen oder Handbücher. Aber auch diese können nach allgemeinen urheberrechtlichen Grundsätzen geschützt sein, genauso wie Grafiken, Figuren und Logos. Die Idee eines Spiels ist grundsätzlich nach dem deutschen Urheberrecht nicht schutzfähig, sondern nur die konkrete Ausgestaltung. Hier ist aber Schutz für nahezu jedes einzelne Element denkbar.
WDR.de: Bezogen auf den urheberrechtlichen Schutz: Welche Unterschiede gibt es zwischen Browsergames, Konsolengames oder Spielen für Mobilgeräte?
Elgert: Grundsätzlich gibt es hier keine urheberrechtlich gravierenden Unterschiede, da sämtliche dieser Spiel-Arten geschützt sein können. Wichtig ist, dass das Spiel im Rahmen einer persönlichen geistigen Schöpfung entstanden ist und nicht etwas völlig Banales darstellt, was es schon tausendfach gibt.
Valie Djordjevic: Bei Browsergames hat man den Code, die Grafik und das restliche Material nicht auf dem eigenen Rechner, sondern lediglich eine Arbeitskopie. Dadurch ist es schwierig, das Spiel zu bearbeiten, da man es auch nicht zurück auf den Server laden kann. Urheberrechtliche Verstöße sind dadurch schwer möglich.
WDR.de: Was sind typische Verstöße?
Djordjevic: Spiele-CDs und DVDs werden kopiert. Dazu muss man den Kopierschutz knacken, was schon ein urheberrechtlicher Verstoß ist. Auch das Hochladen bei Filehostern und Tauschbörsen ist nicht erlaubt.
WDR.de: Darf man nach Kauf eines Spiels also keine Kopie anfertigen?
Elgert: Computerspiele haben in der Regel einen Kopierschutz. Es gibt aber für Computerprogramme das Recht, eine Sicherungskopie anzufertigen, wenn diese für die zukünftige Benutzung erforderlich ist. Die Kopie erstellen darf nur die Person, die zur Benutzung des Programmes berechtigt ist. Sofern also ein Kopierschutz vorhanden ist, hat der Käufer des Spiels einen vertraglichen Anspruch auf Beseitigung des Kopierschutzes oder Lieferung einer Sicherungskopie. Umgehen darf er ihn dann grundsätzlich nicht. Man wird hier aber davon ausgehen müssen, dass wirklich nur eine Kopie als zulässig anzusehen ist. Das Recht, eine Privatkopie für Freunde anzufertigen, hat man also nicht.
WDR.de: Wie intensiv verfolgen Softwarehersteller Urheberrechtsverstöße?
Elgert: Sehr intensiv, Softwarefirmen überwachen sämtliche gängigen Tauschbörsen. Hier ist es relativ leicht, die Verstöße aufzudecken, indem man über die IP-Adresse an die richtigen Daten des Nutzers gelangt. Ganze Rechtsanwaltskanzleien haben sich ausschließlich auf ein solches Tätigkeitsfeld spezialisiert und teilweise neu gegründet. Insgesamt werden Verstöße, die eine irgendwie geartete illegale Verbreitung von Spielen zum Ziel haben, immer verfolgt. Darum bemühen sich jedenfalls die Hersteller. Bei Webseiten aus dem Ausland, wo keine internationalen Abkommen existieren, ist es zwar nicht schwer, Verstöße festzustellen, diese zu ahnden aber umso mehr.
Djordjevic: Das kommt drauf an: Bei Filehostern wie Rapidshare und früher bei Megaupload werden normalerweise die Anbieter verfolgt. Noch gibt es meiner Information nach keine Urteile, in denen Leute, die sich nur etwas heruntergeladen haben, verfolgt wurden. Bei Tauschbörsen aber stellt man normalerweise mit dem Download auch das Spiel für andere zur Verfügung. Hier können Nutzer genau wie beim illegalen Upload von Musik- und Filmdateien Abmahnungen bekommen, die teuer werden.
WDR.de: Welche Strafen drohen?
Elgert: Bei urheberrechtlichen Verstößen drohen stets Abmahnungen verbunden mit teilweise immens hohen Schadensersatzforderungen, welche ganz schnell in einen höheren vier- oder sogar fünfstelligen Bereich gehen können. Aber auch eine strafrechtliche Verfolgung – insbesondere bei intensiven und umfangreichen Verstößen – ist denkbar. Hier drohen in extremen Fällen bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe.
WDR.de: Darf man Computer- und Konsolenspiele verleihen?
Elgert: Wenn der Verleih nicht gewerblich und unentgeltlich erfolgt, ist dies erst einmal kein Problem. Dem können aber insbesondere Sicherungsmaßnahmen des Herstellers entgegenstehen, wie zum Beispiel Lizensierungsnummern, die die Zweitinstallation auf einem PC nicht ermöglichen. Bei Konsolenspielen dürfte es aber in der Regel unproblematisch sein. Aber sobald man Spiele ohne entsprechende Lizenz gewerblich und entgeltlich verleiht, kann es schnell erhebliche Probleme geben, da dies nicht erlaubt ist und man hierfür regelmäßig eine besondere und erheblich teurere Lizenz benötigt.
WDR.de: Bei manchen Spielen haben sich große Communities gebildet, die Spielszenarien und Charaktere weiterentwickeln und untereinander tauschen. Wie viel Raum für Kreativität von Fans bietet das Urheberrecht?
Valie Djordjevic: Fans mitentwickeln lassen
Djordjevic: Um das Spiel zu erweitern und Spielemodifikationen, Mods, zu machen, aber auch um Videos zu drehen, in denen das Spiel zu sehen ist, braucht man eine Erlaubnis des Urhebers und Rechteinhabers. Bei der Spielentwicklung arbeiten viele Menschen mit, deshalb sind meistens Firmen die Rechteinhaber. Diese haben Lizenzbedingungen, in denen steht, was erlaubt ist und was nicht. Leider sind die AGB und Nutzungsbedingungen bei vielen Spielen nur auf Englisch verfügbar und sehr schwer zu verstehen.
Viele Firmen erlauben in gewissem Rahmen Fan-Videos und Erweiterungen. Bei dem Spiel "Minecraft" zum Beispiel erlaubt die Herstellerfirma, dass man Modifikationen des Spiels anderen Nutzern zum Download anbieten darf, solange man nicht als offizieller Anbieter auftritt und kein Geld verlangt. Zu allen populären Spielen gibt es Erweiterungen von Fans, bei vielen - wie etwa Star Wars - gibt es mit Filmen und Figuren ein ganz eigenes Universum, bei dem Fankreativität eine große Rolle spielt. Zu manchen Spielen gibt es unzählige Youtube-Clips, in denen Gamer das Spiel beim Spielen kommentieren, um Tricks oder selbst programmierte Skins und Themes zu zeigen. Wenn das Spiel im Video zu sehen ist, ist das urheberrechtlich relevant. Einige Softwarefirmen lassen das explizit zu.
Elgert: Frage ist hier, inwieweit die Neugestaltungen an bereits vorhandene Gestaltungen angelehnt sind. Je mehr eine eigene Schöpfung vorliegt, desto legaler wird diese sein. Sobald man aber ohne eine Erlaubnis in den Nutzungs- bzw. Lizenzbedingungen im Spiel vorhandene Dateien oder Programmierungen verändert oder manipuliert, wird es einer Erlaubnis des Herstellers bedürfen. Letztlich ist dies also immer eine Frage des konkreten Einzelfalls.
WDR.de: Gibt es aus Ihrer Sicht Beispiele für besonders zukunftsweisende Lösungen für die Urheberrechtsproblematik bei Games?
Djordjevic: Ein gutes Beispiel ist wie erwähnt Minecraft. Viele Aspekte und Formen der Fankreativität sind im Urheberrecht derzeit nicht bedacht. Manche fordern eine Art Remix-Paragraphen, der Fan-Weiterentwicklungen zulässt. Aber es sieht derzeit nicht danach aus, als ob das kommt.
Elgert: Bei Games muss man klar sagen, dass diese teilweise unter erheblichem Zeitaufwand produziert werden und damit auch bezahlt werden sollten. Hier sind die Preise aber teilweise immens hoch und verleiten Nutzer eher, sich Sachen illegal und gratis zu besorgen. Insofern kann man über den Preis einiges regeln. Man könnte zum Beispiel einen Sondertarif für Schüler und Studenten einführen, die Games gegen Vorlage entsprechender Nachweise günstig bekommen. Man muss den Leuten aus meiner Sicht viel mehr erklären, warum die Achtung des Urheberrechts wichtig ist, nämlich zum Schutz der Kreativen. Dies mache ich aber nicht, indem ich die Leute – und oft erwischt es gar nicht diejenigen, die regelmäßig Urheberrechte verletzen, sondern Ersttäter – mit teuren Abmahnungen überziehe, die den Eindruck erwecken, hier ginge es nur noch darum, Geld zu verdienen und nicht um die Sache – das Urheberrecht – selbst.
Die Fragen stellte Insa Moog.