Flüchtlinge in Deutschland - für manche Nutzer ist das offenbar eine Horrorvorstellung, die sie mit radikalen Kommentaren im Netz zum Ausdruck bringen. Diese Äußerungen lassen sich dieser Tage überall bei Facebook oder Twitter finden. Es scheint, als würden die Posts immer abscheulicher, je mehr über das Schicksal von Flüchtlingen berichtet wird. Im vermeintlich anonymen Netz fallen alle Hemmungen. Doch mittlerweile gibt es auch Gegenwind.
Azubi nach Hetze gefeuert
Da ist das Beispiel eines Auszubildenden beim Autobauer Porsche. Der junge Mann postete bei Facebook einen menschenverachtenden Kommentar unter das Foto eines lachenden Flüchtlingskindes, das bei heißen Temperaturen unter einer Wasserfontäne steht: "Flammenwerfer währe (sic!) da die bessere Lösung gewesen". Der Arbeitgeber steht im Profil des Azubi und wird von anderen Usern informiert. Die Kündigung folgt. Und die sei rechtens, bewertet der Kölner Medienrechtler Christian Solmecke den Fall.
Kündigung rechtens
Es spiele keine Rolle, dass der Azubi sich vermeintlich privat geäußert habe. "Die Äußerungen, die hier getätigt worden sind, waren strafrechtlich relevant und betrafen einen so sensiblen Bereich - nämlich rechtsradikale Äußerungen -, dass es sich auf das Arbeitsverhältnis durchgeschlagen hat", sagt der Anwalt für IT- und Internetrecht. Sobald solche Äußerungen auf den Arbeitgeber abfärben können, dürfe der zum Äußersten greifen und diesen Arbeitnehmer kündigen. Rechtlich in Ordnung sei auch, dass andere Facebook-Nutzer den Azubi bei seinem Arbeitgeber gemeldet hatten: "Derjenige, der eine Meinung frei in den sozialen Netzwerken postet, der muss auch dazu stehen, dass diese Meinung weitergetragen wird."
Nur vermeintlich anonym
Fremdenfeindliche und rassistische Hetze im Internet habe Konjunktur, sagt Anwalt Solmecke. "Sowohl rechtsradikale Äußerungen als auch Beleidigungen nehmen im Netz dramatisch zu. Offenbar denken die Menschen, sie seien anonym in den sozialen Netzwerken und nicht zurückverfolgbar. Genau das Gegenteil ist der Fall." Da die meisten mit ihrem vollem Namen und ihren Fotos registriert sind, sei es "ein Leichtes, Rechtsverstöße herauszufinden und die entsprechenden Menschen abzumahnen".
WDR-Netzexperte: Hetze gegen Flüchtlinge nimmt stark zu
WDR-Netzexperte Jörg Schieb sagt, gerade Menschen, die rechts denken und rechts handeln, nutzten für ihre Hetze gerne das Internet, weil sie da relativ freie Hand haben. Schieb: "Es ist zwar kein rechtsfreier Raum. Es gibt deutsche Gesetze, die gelten, aber die sind teilweise sehr schwer durchzusetzen, weil nämlich klar sein muss, wo die Server stehen." Stünden die nicht in Deutschland, sei die Verfolgung von Straftaten schon ziemlich schwierig. Gerade Online-Dienste wie Facebook mit Sitz in den USA seien "bei freier Meinungsäußerung, wie sie das nennen, sehr großzügig". Folglich könne man sich ziemlich frei äußern, ohne das zwingend etwas passiert.
Medienrechtler Solmecke verweist mit Nachdruck auf die strafrechtliche Relevanz solcher Äußerungen: "Meistens wird so etwas mit Geldstrafen geahndet. Wer aber nicht aufhört und gezielt Nazi-Hetzkampagnen startet, der muss auch mit Haftstrafen rechnen. Das wird von den Staatsanwaltschaften durchaus scharf geahndet."
Attacke gegen Internetblogger
Auch der bekannte Internetblogger Sascha Lobo bekam in der vergangenen Woche auf seine Kolumne hin eine E-Mail "eines besorgten Bürgers" zugeschickt. Statt sie zu ignorieren oder zu löschen, entschied er sich dafür, die Nachricht zu veröffentlichen und damit zu zeigen, wie niveaulos die Debatte geworden ist.
AOK behält sich rechtliche Schritte vor
Die Krankenkasse AOK beschäftigt sich dieser Tage ebenfalls mit Hass-Kommentaren. Gleich von mehreren Seiten bekommt die Versicherung Hinweise auf eine angebliche Mitarbeiterin, die bei Facebook schrieb: "Jeder deutsche der da hilft sollte sich in grund und Boden schämen!!!! Dieses dreckspack hat hier nichts zu suchen und die antifa kann gleich mit Abreise!!!" Die AOK reagierte schnell: "Wir möchten uns hiermit deutlich von jeglichen fremdenfeindlichen Äußerungen distanzieren und entschuldigen uns bei allen, die dadurch angegriffen wurden und werden." Mittlerweile hat sich herausgestellt, dass die Frau gar nicht bei der AOK arbeitet. Die Krankenkasse hält sich weitere juristische Schritte gegen die Nutzerin vor.
Online Strafanzeige stellen
WDR-Netzexperte Schieb rät, sich bei zweifelhaften Inhalten nicht zum Richter aufzuschwingen: "Man kann sich aber zum Ankläger machen, wenn man das Gefühl hat, da stimmt etwas nicht. Man sollte solche Äußerungen bei den sozialen Netzwerken melden und wenn das nicht fruchtet bei den Behörden." Medienanwalt Solmecke verweist zudem darauf, dass man online bei den Staatsanwaltschaften Strafanzeige wegen Volksverhetzung erstatten kann. Leute nur zu denunzieren bringe nicht den gewünschten Effekt, dass sie strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.