Der Spitzenkandidat in Bonn
Röttgen spielt auf Risiko
Stand: 26.03.2012, 12:15 Uhr
Warum einfach, wenn es auch schwer geht? Norbert Röttgen tritt nicht in einem sicheren Wahlkreis zur Landtagswahl an, sondern nimmt es mit einem starken SPD-Kandidaten in Bonn auf. Ein Coup, der für Verwirrung sorgt: Will der Bundesminister gar nicht in den Landtag?
Von Marion Kretz-Mangold
Bernhard von Grünberg steckt seit Tagen tief im Wahlkampf. Andere mögen sich noch warmlaufen, nach Slogans, Gegnern und Partnern suchen: Der SPD-Mann mit dem Spitznamen "Felix" weiß seit dem 19. März, gegen wen er antritt. Oder besser: Wer gegen ihn antritt. Denn von Grünberg, Anwalt, Mietrechts-Experte und Landtagsabgeordneter aus Bonn, bekommt einen prominenten Kontrahenten: Norbert Röttgen will im Wahlkreis Bonn I für den Landtag kandidieren, in dem Wahlkreis also, den von Grünberg vor zwei Jahren mit einem deutlichen Vorsprung gewonnen hatte. Und so hat der SPD-Mann sofort den Wahlkampf eröffnet, mit Norbert Röttgen als Thema Nummer eins: "Absurd" sei es, sich zur Wahl zu stellen und sie nur anzunehmen, wenn man Ministerpräsident werde, schimpft der Sozialdemokrat. Und: "Dass der Bundesumweltminister hier und nicht im Rhein-Sieg-Kreis kandidiert, zeigt, wie wohl er sich offenbar in Berlin fühlt." Eine Stichelei mit Hintergedanken: Röttgen, glaubt von Grünberg, kann den Wahlkreis nicht gewinnen - und will es auch gar nicht. Röttgen ziehe es nur "mit halber Kraft" in Richtung Bonn und Düsseldorf, viel Arbeit werde er nicht investieren: "Er ist nur ein Scheinkandidat."
Die Kandidatur liegt doch nahe, sagt die CDU
Tatsächlich fragt sich nicht nur der politische Gegner, warum Röttgen in Bonn antritt und nicht in einem sicheren Rhein-Sieg-Wahlkreis. Dort hat er bei zwei Bundestagswahlen mehr als 50 Prozent geholt, dort hätte er wohl auch bei der Landtagswahl ein sicheres Mandat bekommen. Röttgen kontert: Der Bonner Wahlkreis sei "absolut gewinnbar", und: Seine Kandidatur sei ein ausdrückliches Bekenntnis zu Bonn. "Er hat einen klaren Bezug zu Bonn", betont auch Gunnar Gmilkowski, Mitarbeiter in der CDU-Kreisgeschäftsstelle. Aber hat er nicht noch mehr Bezug zum Rhein-Sieg-Kreis? "Die anderthalb Kilometer kümmern mich nicht", wehrt Gmilkowski ab. Konkreter wird Stephan Eisel, früher CDU-Bundestagsabgeordneter und ehemaliger Vorsitzender des CDU-Kreisverbandes: Röttgen habe immer für die Bundesstadt gekämpft und für ein Festspielhaus, schreibt Eisel auf seiner Homepage, er habe hier studiert und wohne nur "einen Spaziergang entfernt von dem Wahlkreis, in dem er jetzt antritt". Röttgen, sagt er, kennt Bonn wie seine Hosentasche.
Ohne Direktmandat läuft nichts
Röttgens Gegner im Wahlkreis Bonn I: "Felix" von Grünberg
Aber ist das Risiko, am Wahlabend ohne Mandat da zu stehen, nicht doch zu groß? Genau das will er doch, glaubt nicht nur SPD-Kandidat von Grünberg. Auch FDP-Generalsekretär Patrick Döring stichelt: Man habe "mit Interesse zur Kenntnis" genommen, dass Röttgen sich einen Wahlkreis ausgesucht habe, der nicht zu den CDU-Hochburgen gezählt habe. Wahlkampf-Parolen mit einem handfesten Hintergrund: Röttgen braucht ein Mandat, um Ministerpräsident zu werden. So schreibt es die Verfassung vor. Will er Ministerpräsident werden, müsste nicht nur die CDU stärkste Kraft werden, Röttgen müsste auch den SPD-Mann von Grünberg direkt besiegen. Ein Platz auf der Landesliste, der ihn sozusagen im zweiten Anlauf in den Landtag bringen würde, würde ihm nicht helfen: Bei der CDU hat die Liste 2005 und 2010 nicht gezogen. Würde Röttgen aber von Grünberg das Direktmandat abnehmen, wäre er Landtagsabgeordneter - und Oppositionsführer, wenn es zum Ministerpräsidenten nicht reicht. Aber genau das ist die Frage, die er erst am Wahlabend beantworten will, allem Drängen seiner Parteifreunde und der Basis zum Trotz: Würde er den Platz auf der Berliner Regierungsbank mit einem auf der harten Düsseldorfer Oppositionsbank tauschen? Eine Frage, die sich nicht mehr stellt, sollte er im Wahlkreis Bonn I verlieren.
"Warum soll er sich das Leben einfach machen?"
Röttgen beteuert aber, dass er nicht an eine Niederlage denkt, und die Parteimitglieder halten sich an die offizielle Linie, wenn sie offiziell gefragt werden. Die ist da ganz klar: Der Kandidat tritt selbstverständlich in Bonn an und wird selbstverständlich Ministerpräsident. Und Diskussionen um irgendwelche Zukunftspläne verbieten sich, denn Röttgen spielt auf Sieg, nicht auf Platz. Dass er das in seinem alten Wahlkreis leichter hätte haben können, ficht CDU-Mitarbeiter Gmilkowski scheinbar nicht an: "Warum soll er sich das Leben einfach machen?" Bei Stephan Eisel klingt es ganz ähnlich: "Er wählt nicht den leichten Weg", schreibt er auf seiner Homepage, "sondern geht mit persönlichem Mut voran." Ohne ein Landtagsmandat könne er nicht Ministerpräsident werden. "Das gibt den Bonner Stimmen besonderes Gewicht."
Die Basis hat Nachfragen
Am Montagabend (26.03.2012) ist erst einmal die Bonner Basis gefragt: Röttgen wird dann offiziell auf der Kreismitglieder-Versammlung zum Wahlkreis-Kandidaten bestimmt. 500 Leute passen in den Saal, sagt Gmilkowski, aber es könnten auch weniger sein, "besonders, wenn das Wetter schön ist". Die Kür ist ohnehin ausgemachte Sache. Aber möglicherweise läuft sie nicht ganz so einfach über die Bühne, wie die Partei-Strategen sich das wünschen. Denn "Westpol"-Befragungen belegen, dass sich Frust im Parteivolk breit macht, weil die Mitglieder nicht wissen, für wen sie Wahlkampf machen sollen: für den CDU-Spitzenkandidaten, der auf jeden Fall im Land bleibt? Oder für den Bundesminister, der doch lieber nach Berlin zurückkehrt? Zukunftspläne, Wahlkreis-Wechsel: Am Abend könnten die Bonner nachbohren. Ob Röttgen Antworten gibt? Vielleicht.