Die Wahl: Höhepunkt oder Beginn von Krafts Karriere?

Von der Wackelkandidatin zur Ministerpräsidentin

Stand: 20.06.2012, 00:00 Uhr

Zwei Jahre haben Hannelore Kraft gereicht, um von der Wackelkandidatin zur beliebtesten Politikerin Deutschlands zu werden. Am Mittwoch (20.06.2012) erreichte sie den vorläufigen Höhepunkt ihrer Macht. Die Abgeordneten des Landtags wählten sie zur Ministerpräsidentin. Ist es erst der Beginn einer großen Karriere?

Von Rainer Kellers

Hannelore Kraft sieht müde aus in den vergangenen Tagen. Der Wahlkampf, die hektischen Koalitionsverhandlungen, sie haben Spuren hinterlassen. Als Kraft am Montag (18.06.2012) den Koalitionsvertrag unterschreibt, lacht sie ihr Wahlplakatlächeln, wirkt aber wie jemand, der nun endlich Urlaub machen will. Bis zu den Ferien sind es aber noch zweieinhalb Wochen - und immerhin fünf Landtagssitzungen. Die Sitzung am Mittwoch dürfte für Kraft allerdings zu den angenehmen Pflichten gehören. Sie wird zum zweiten Mal zur Ministerpräsidentin des Landes gewählt.

Stimmen auch Vertreter anderer Fraktionen für Kraft?

Zweifel an ihrer Wahl gibt es keine. Im ersten Durchgang der geheimen Wahl benötigt sie das Ja von mehr als der Hälfte aller Mitglieder des Landtages. Das sind 119 Stimmen. Die Fraktionen von SPD und Grünen verfügen gemeinsam aber über 128 Abgeordnete. Spannend dürfte also nur werden, ob auch Abgeordnete anderer Parteien für Kraft stimmen.

Vor zwei Jahren, nach der Landtagswahl 2010, war das noch anders. Damals musste Kraft eine Zitterpartie durchstehen. Genau eine Stimme fehlte zur absoluten Mehrheit, und die Opposition tat Kraft nicht den Gefallen, sie als Ministerpräsidentin mitzuwählen. Im ersten Wahlgang scheiterte die SPD-Chefin, und es bedurfte eines zweiten Wahlgangs, bei dem es nur noch auf die Mehrheit der abgegebenen Stimmen ankam. Weil sich die Fraktion der Linkspartei enthielt, reichte es, Kraft wurde mit 90 Ja-, 80 Neinstimmen und elf Enthaltungen die erste Frau an der Spitze einer NRW-Landesregierung.

Buhlen um Enthaltungen

Das Buhlen zumindest um die Enthaltung einer anderen Fraktion zog sich von da an durch die knapp zweijährige Amtszeit der rot-grünen Minderheitsregierung. Kraft erfand dafür zwar den positiv klingenden Begriff der "Koalition der Einladung". In Wahrheit aber musste sie bei jedem Vorhaben und jedem Gesetz Kompromisse eingehen. Dass sich die Minderheitsregierung dennoch bis März 2012 im Amt hielt und auch noch eine Reihe wegweisender Vorhaben auf den Weg brachte - den Schulkompromiss zum Beispiel oder den Stärkungspakt für Stadtfinanzen - ist durchaus bemerkenswert. Und es hat wohl zu einem erheblichen Teil zur großen Popularität der Ministerpräsidentin beigetragen.

Beliebteste Politikerin Deutschlands

Mit einer Mischung aus populärer Wohlfühlpolitik, einem sympathischen Auftreten und persönlicher Glaubwürdigkeit hat es Kraft in nur knapp zwei Jahren geschafft von der wenig bekannten Landespolitikerin zur beliebtesten Politikerin Deutschlands aufzusteigen. So lautet jedenfalls das Ergebnis des jüngsten ZDF-Politbarometers, in dem Kraft vergangene Woche auf Anhieb auf dem ersten Platz landete. Noch vor der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Dass die Stimmen derer, die Kraft als künftige Kanzlerkandidatin der SPD sehen, immer lauter werden, verwundert da kaum.

Kraft muss beweisen, dass sie nicht nur Geld verteilen kann

Ist die Wahl zur Ministerpräsidentin also nur der Auftakt für eine Karriere im Bund? Das ist ziemlich unwahrscheinlich. Die 51-Jährige hat immer betont, dass sie in NRW bleiben wolle, dass ihr Landespolitik am Herzen liege, dass sie hier etwas verändern wolle. Ginge sie dennoch nach Berlin, würde sie sich unglaubwürdig machen und damit ihren größten Kredit bei den Menschen verspielen. Kraft weiß das und hat längst ihre Schlüsse daraus gezogen. Das heißt natürlich nicht, dass sie nicht irgendwann einmal in die Bundespolitik wechseln könnte, 2017 zum Beispiel. Doch bis dahin ist noch viel Zeit. Außerdem muss Kraft in den nächsten fünf Jahren als Ministerpräsidentin beweisen, dass sie nicht nur Geld verteilen, sondern auch sparen kann. Gut möglich, dass ihre Popularitätswerte dann nicht mehr so hoch sind.