Wegen "sexueller Grenzverletzung"

Streit um die Absetzung eines Pfarrers

Stand: 09.02.2015, 16:54 Uhr

Katholische Gemeindemitglieder in Erftstadt zeigen Solidarität mit ihrem Pastor. Der wurde entlassen, weil er sich vor 40 Jahren wegen "sexueller Grenzverletzung" schuldig gemacht haben soll. Jetzt entscheidet der Vatikan über den Fall.

In Erftstadt hat sich eine katholische Kirchengemeinde mit einem mutmaßlichen "sexuellen Grenzverletzer" solidarisiert. Der Geistliche soll sich vor 40 Jahren in einer früheren Gemeinde der sogenannten "schweren sexuellen Grenzverletzung" bei einer Neunjährigen schuldig gemacht haben, teilte das Erzbistum Köln mit. Was genau vorgefallen ist, wird nicht bekannt gegeben. Dass Erzbistum hatte den 73-Jährigen Anfang Februar von seinen Ämtern enthoben. Die Frau lebt heute in der Schweiz und hat sich im vergangenen Jahr an das Erzbistum gewandt. Mit einem Schweigemarsch protestierten in der Pfarrgemeinschaft Erftstadt-Ville am Sonntag (08.02.2015) etwa 1.200 Menschen gegen die Abberufung ihres Pfarrers. Die Gemeindemitglieder der katholischen Gemeinde sehen in der sofortigen Abberufung ihres Pfarrers eine Vorverurteilung.

Der WDR-Kirchenexperte Theo Dierkes sieht die Proteste der Gemeinde kritisch. "Die Gemeindemitglieder fragen nicht nach dem Opfer", sagt Dierkes. Neu an diesem Fall sei, dass sich die Gemeinde auf der Seite des mutmaßlichen Täters befände, so Dierkes. Die Gemeindemitglieder waren vergangene Woche bei einer außerordentlichen Pfarrversammlung über die Entpflichtung ihres Pastors informiert worden. Seitdem wird der betroffene Pfarrer abgeschirmt, eine Stellungnahme von ihm war nicht einzuholen.

"Ein Zeichen der Solidarität"

Die Gemeindemitglieder reagierten mit Unverständnis auf die Entpflichtung und organisierten für Sonntag neben dem Schweigemarsch auch noch einen Solidaritätsgottesdienst. "Das war ein Zeichen der Solidarität für unseren Pastor, der 36 Jahre in unserer Gemeinde gewirkt hat. Da ist Kirche vor Ort gelebt worden", sagte der Pfarrgemeinderatsvorsitzende Christopher Hüllen am Montag (09.02.2015) gegenüber dem WDR. Das Verfahren der Kirche sei vorverurteilend. "Die Kirche sollte eine barmherzige Kirche sein", so Hüllen. Gleichzeitig sei auch er der Auffassung, dass das mögliche Opfer einen absoluten Anspruch auf die lückenlose Klärung der Vorwürfe hätte.

Wie es weiter geht, wird nun in Rom entschieden: Den kirchenrechtlichen Vorschriften entsprechend hat das Erzbistum Köln die Kongregation für Glaubenslehre informiert, die alleine zu entscheiden habe, wie es in dem Fall weitergehe, so das Erzbistum. "Wir müssen das ernst nehmen, was wir von einem mutmaßlichen Opfer mitgeteilt bekommen. Und wir müssen die Schritte in Gang setzen, die dafür vorgesehen sind – dafür haben wir Richtlinien" , sagte Erzbistumssprecher Christoph Heckeley. "Für uns hätte es keine andere Möglichkeit gegeben als ihn zu entpflichten."

Die Gemeinde kritisiert den scharfen Umgang der katholischen Kirche mit ihrem Pastor. "Was die Gemeinde will, ist genau das, wofür die Kirche seit Jahren geschlagen wird", ordnet der WDR-Religionsexperte Theo Dierkes den Sachverhalt ein.

"Pfarrer soll zur Gemeinde sprechen"

Auch Gemeindemitglied Michael Beckers aus dem Ort Blessem sieht die Entpflichtung als "unverhältnismäßig"  an. "Ich kenne die Verfahren der Kirche nicht, aber ich empfinde den Umgang mit unserem Pastor als unmenschlich", ergänzt der 38-Jährige, der früher Messdiener in der Gemeinde war. "Mein Wunsch wäre, dass sich unser Pfarrer zu den Vorwürfen selbst äußern und zur Gemeinde sprechen darf", ergänzt Beckers. Er werde sich sicher auch den weiteren Aktionen für den abgesetzten Pastor anschließen, so Beckers.