Abwahlverfahren gegen Duisburgs OB
Entscheidung über Sauerland
Stand: 12.02.2012, 11:51 Uhr
Über eineinhalb Jahre nach der Loveparade-Katastrophe entscheiden am Sonntag (12.02.2012) die Duisburger, ob Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) im Amt bleiben darf. Der Ausgang des ersten Abwahlverfahrens durch ein Bürgerbegehren in NRW gilt als völlig offen.
Von Andreas Poulakos
Insgesamt sind rund 365.000 Duisburger zur Wahl aufgerufen. Für ein erfolgreiches Abwahlverfahren reicht eine einfache Mehrheit der Stimmen nicht aus. Zugleich müssen mindestens ein Viertel aller Wahlberechtigten, also rund 91.250, für die Abwahl von Adolf Sauerland stimmen, sonst ist das Bürgerbegehren gescheitert, und der OB darf bis 2015 im Amt bleiben. Angesichts einer traditionell niedrigen Wahlbeteiligung in Duisburg wird also viel davon abhängen, wie viele Stimmberechtigte die Sauerland-Gegner am Wahltag mobilisieren können. Das "Duisburger Bündnis Abwahl", eine Gemeinschaft aus Bürgern, Vertretern von Gewerkschaften, SPD, Grünen und Linkspartei, hat einen Monat intensiv mit Plakaten und Veranstaltungen in der Stadt für die Abwahl geworben. Sauerland selbst hat dagegen auf einen Wahlkampf in eigener Sache fast vollständig verzichtet. Mehrere Vertreter der CDU Duisburg haben empfohlen, nicht an der Abstimmung teilzunehmen und sie damit scheitern zu lassen.
Auch Jugendliche und EU-Staatsbürger dürfen wählen
Stimmzettel für das Abwahlverfahren in Duisburg
Für die Stadt ist das Abwahlverfahren ähnlich aufwendig wie eine Kommunalwahl. Unter anderem sind rund 3.000 Wahlhelfer im Einsatz. Die Kosten liegen bei rund 400.000 Euro. Wahlberechtigt sind alle Einwohner von Duisburg ab 16 Jahren mit deutscher Staatsangehörigkeit oder der eines anderen EU-Staates. Dabei müssen die Bürger nur eine einzige Frage beantworten: Wenn sie für die Abwahl sind, stimmen sie mit "Ja", wenn nicht, mit "Nein". Sollte Sauerland abgewählt werden, müsste er sofort seinen Posten räumen. Bis zur Wahl eines Nachfolgers könnte es dann noch bis zu sechs Monate dauern. In der Übergangszeit würde Stadtdirektor Peter Greulich (Grüne) kommissarisch die Amtsgeschäfte wahrnehmen. Sauerland stünde bis zum Ende seiner regulären Amtszeit 2015 ein Ruhegehalt in Höhe von rund 70 Prozent seiner Dienstbezüge zu. Seine Pensionsansprüche wären, anders als bei einem freiwilligen Rückzug aus dem Amt, nicht gefährdet.
Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Mitarbeiter der Stadt
Dem OB wird ein hilfloses Gebaren nach der Katastrophe vorgeworfen
Die Gegner von Adolf Sauerland machen ihn für die Genehmigung der Loveparade im Juli 2010 verantwortlich, bei der 21 Menschen starben und weit über 500 verletzt wurden. Außerdem werfen sie ihm vor, dass er sich erst ein Jahr nach der Katastrophe öffentlich zu einer moralischen Verantwortung bekannte und um Entschuldigung gebeten hat. Einen Rücktritt hat Sauerland stets abgelehnt, es sei denn, ihm oder seiner Verwaltung würden individuelle Fehler bei der Genehmigung der Loveparade nachgewiesen. Derzeit ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen 17 Beschuldigte, darunter elf Mitarbeiter der Duisburger Stadtverwaltung - allerdings nicht gegen Adolf Sauerland persönlich. Wann die Ermittlungen abgeschlossen sind und ob Anklage erhoben wird, ist derzeit noch offen.
Sauerland zuversichtlich
Kurz vor dem Wahltermin meldete sich Sauerland selbst zu Wort - und zeigte sich optimistisch. Er gehe davon aus, dass er auch nach Abschluss des Verfahrens Stadtoberhaupt bleiben werde, sagte er im Interview der Bild-Zeitung (11.02.2012). Er erwarte auch nicht, dass bis zu einem möglichen Gerichtsverfahren um die Verantwortlichkeit für die Loveparade-Katastrophe alle Anschuldigungen bestehen bleiben. "Den Freispruch für Duisburg möchte ich im Amt erleben", sagte Sauerland.
Erster Versuch einer Abwahl scheiterte
Die Abstimmung am Sonntag ist bereits der zweite Versuch, den umstrittenen OB abzuwählen. Im Herbst 2010 war eine Abwahl im Stadtrat noch am Widerstand der CDU gescheitert. Dort war die nötige Zweidrittel-Mehrheit für die Einleitung eines Abwahlverfahrens nicht zustande gekommen. Durch eine Gesetzesänderung im Mai 2011 hatte der nordrhein-westfälische Landtag mit den Stimmen von SPD, Grünen und Linkspartei einen neuen Bürgerentscheid ermöglicht. In NRW können Bürger seitdem Bürgermeister und Landräte direkt abwählen. In Großstädten müssen 15 Prozent, in Kleinstädten 20 Prozent der Bürger für ein Abwahlverfahren unterschreiben, damit es tatsächlich zur Abstimmung kommt. Die Bürgerinitiative "Neuanfang für Duisburg" hatte knapp 80.000 Unterschriften für das Amtsenthebungs-Verfahren gesammelt - mehr als dafür erforderlich.
Ergebnis wird für 19.30 Uhr erwartet
Wenn die Wahllokale am Sonntag um 18.00 Uhr schließen, soll es nur rund eineinhalb Stunden dauern, bis das vorläufige Ergebnis im Rathaus verkündet wird. Gleichzeitig soll es auf der städtischen Homepage "duisburg.de" veröffentlicht werden. Ob der Oberbürgermeister am Sonntag selbst auftreten wird, ist noch nicht sicher. Laut Rathaus ist der OB derzeit wegen einer Grippe krankgeschrieben.