Großes Gedränge am unteren Ende der Rampe, die zum Festivalgelände der Loveparade führt.

Überfordertes Personal, kaputte Kameras

Ermittlungen zum Loveparade-Unglück

Stand: 04.06.2013, 13:00 Uhr

Die wenigen Sicherheitsleute auf dem Loveparade-Gelände in Duisburg sollen mit dem Gedränge überfordert gewesen sein. Das besagt ein Gutachten, das jetzt bekannt wurde. Immer wieder gelangen Details aus den Ermittlungen zu der Massenpanik vor drei Jahren mit 21 Toten an die Öffentlichkeit.

Knapp drei Jahre nach der Loveparade-Katastrophe in Duisburg sind die Ermittlungen nach Angaben der Staatsanwaltschaft Duisburg weit fortgeschritten, aber noch nicht abgeschlossen. Bei der Open-Air-Technoveranstaltung am 24. Juli 2010 in Duisburg waren bei einer Massenpanik vor und in einem Tunnel 21 Menschen ums Leben gekommen. Mehr als 500 wurden im Gedränge verletzt.

Nach Informationen des Magazins "Focus" belastet ein weiteres Gutachten den Loveparade-Veranstalter Lopavent. Für eine Stellungnahme war er am Dienstag (04.06.2013) zunächst nicht zu erreichen. Sachverständige der Firma Invita Consult haben das Gutachten im Auftrag der Staatsanwaltschaft Duisburg erstellt. Demnach sollen auf dem 110.000 Quadratmeter großen Partygelände nur 234 Sicherheitsleute eingesetzt gewesen sein. Von erfahrenen Kräften könne dabei laut Focus keine Rede gewesen sein. Als sich im Zugangsbereich zum Gelände das tödliche Gedränge losging, seien die acht Ordner, die die Menschenmasse aufs Gelände schieben sollten, überfordert gewesen. Im Tunnel hätten lediglich 16 Ordner patrouilliert. Außerdem seien an den Enden des Tunnels zwei Kameras ausgefallen, was nach Ansicht der Sachverständigen die Kalkulation der Besucherströme unmöglich machte.

Akteneinsicht für die Opferanwälte

Loveparade-Besucher versuchen eine Treppe zu erreichen

Großes Gedränge vor einer schmalen Treppe

Oberstaatsanwalt Michael Schwarz bestätigte, dass ein solches Gutachten vorliege. Zum Inhalt wollte er keine Angaben machen. Möglicherweise sei die Studie jetzt publik geworden, weil inzwischen auch die Anwälte der Opfer Einblicke in die Ermittlungsakten gewährt bekommen haben.

Immer wieder kommt es vor, dass Details aus den Ermittlungen an die Öffentlichkeit gelangen. Vergangene Woche hatte bereits die "Süddeutsche Zeitung" aus einem Gutachten des britischen Panik-Forschers Keith Still zitiert. Dem Blatt zufolge schreibt der Professor für Massendynamik und Massenmanagement an der Buckinghamshire New University, dass es nach dem von der Stadt genehmigten Konzept nicht einmal theoretisch möglich gewesen sei, das Technofestival gefahrlos durchzuführen. Hätten die Verantwortlichen die Besucherströme addiert, hätten sie feststellen können, dass die Rampe auf das Gelände viel zu klein gewesen sei.

16 Beschuldigte, 3.500 Zeugen

Die Staatsanwaltschaft ermittelt laut Schwarz gegen 16 Beschuldigte, darunter Mitarbeiter der Stadt Duisburg und des Veranstalters Lopavent. Allein die Hauptakte umfasst 32.000 Blatt. Fünf Staatsanwälte und ein Abteilungsleiter der Behörde sind damit beschäftigt, rund 1.000 Stunden Videomaterial und etwa 3.500 Zeugenaussagen zu sichten und zu bewerten. "Nach Abschluss der Ermittlungen entscheiden wir, ob wir Anklage erheben oder das Verfahren einstellen", erklärt Schwarz. Möglich seien alle Varianten: Es könne gegen alle oder auch nur gegen einen Teil der Beschuldigten Anklage erhoben werden. "Der Ausgang ist derzeit offen."