Oberstaatsanwalt Horst Bien spricht  in Duisburg  vor Beginn der Pressekonferenz in der Rheinhausenhalle mit den Journalisten

Zehn Beschuldigte und viele offene Fragen

Anklage zum Loveparade-Unglück

Stand: 12.02.2014, 12:30 Uhr

Nach dreieinhalb Jahren Ermittlungszeit steht fest: Zehn Menschen müssen sich für das Loveparade-Unglück im Juli 2010 vor Gericht verantworten. Bei der Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft in Duisburg ging es aber vor allem um die, die nicht auf der Anklagebank sitzen werden.

Von Maike Jansen

Die Duisburger Bürger haben den in ihren Augen Verantwortlichen für die Loveparade-Katastrophe längst ausgemacht: Vor genau zwei Jahren jagten sie Oberbürgermeister Adolf Sauerland via Bürgerentscheid aus dem Amt. Dabei hatte der jegliche Verantwortung für das Unglück, bei dem am 24. Juli 2010 21 Menschen starben und über 600 teilweise schwer verletzt wurden, stets abgestritten.

Auch die Staatsanwaltschaft Duisburg hält Sauerland nicht für schuldig – zumindest unter strafrechtlichen Gesichtspunkten. Um die "und nur die", so betont es Oberstaatsanwalt Horst Bien, geht es in der Anklage, die die Staatsanwaltschaft Duisburg nun eingereicht hat. Auch Veranstalter Rainer Schaller kommt in der nicht vor, beide werden lediglich als Zeugen in dem Mammutprozess auftreten, der voraussichtlich 2015 beginnt.

Akribische Ermittlungen

Pressekonferenz in der Rheinhausenhalle mit den Journalisten

Pressekonferenz in der Rheinhausenhalle mit den Journalisten

37.000 Seiten Zeugenaussagen, Gesprächsprotokolle und Unterlagen der Stadtverwaltung, 963 Stunden Videomaterial und 19 Kartons mit Beweismitteln hat die Staatsanwaltschaft in dreieinhalb Jahren gesichtet und ausgewertet um herauszufinden, wie es zu dem schrecklichen Unglück kommen konnte.

Eine lange Zeit, das weiß auch Staatsanwalt Bien: "Uns ist bewusst, wie schlimm diese Zeit für die Angehörigen gewesen sein muss, aber es war uns wichtig, hier wirklich akribisch und gründlich zu ermitteln", spricht er in das Pulk von Mikrofonen, die vor ihm auf dem Tisch aufgebaut sind.

Zehn Kamerateams, mehr als 20 Fotografen und Journalisten sitzen vor ihm in der Rheinhausenhalle, die die Staatsanwaltschaft für die Pressekonferenz angemietet hat. Eine Großveranstaltung für die Aufarbeitung einer anderen Großveranstaltung – das Interesse ist riesig.

Druck und mangelnde Kontrolle

Pressekonferenz in der Rheinhausenhalle mit den Journalisten

Pressekonferenz in der Rheinhausenhalle mit den Journalisten

Das Interesse, aber auch die Enttäuschung: Gegen 16 Verantwortliche hatte die Staatsanwaltschaft ermittelt, gegen zehn erhebt sie nun Anklage. Nicht darunter: Ordnungsamtsdezernent Wolfgang Rabe und weitere leitende Mitarbeiter des Ordnungsamt, der Polizeiführer am Veranstaltungstag und der Crowd-Manager von Lopavent, der sich um die Eingangsschleusen zum Love-Parade-Gelände kümmerte.

Sie, so die Argumentation der Staatsanwaltschaft, konnten sich entweder darauf verlassen, dass ihre Mitarbeiter bei der Genehmigung keine Fehler machten, oder am Tag selbst die begangenen Fehler nicht mehr ändern. Druck von Vorgesetzen oder mangelnde Kontrolle der Mitarbeiter – für die Staatsanwaltschaft hat das in diesem Fall strafrechtlich keine Relevanz.

Angeklagt werden stattdessen die Bediensteten des Bauamts selbst – wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung im Amt. Bis zu fünf Jahre Gefängnis drohen ihnen dafür, dass sie "die beantragte Genehmigung erteilt haben, obwohl auch sie hätten erkennen müssen, dass die Veranstaltung wegen der schwerwiegenden Planungsfehler undurchführbar und daher nicht genehmigungsfähig war", zitiert Bien die Anklageschrift.

Auf Mitarbeiter verlassen

Die Nachfragen der Journalisten kommen schnell. Auch sie haben sich nun drei Jahre mit der Katastrophe beschäftigt, kennen viele der Unstimmigkeiten und offenen Fragen: Warum monierte der Ordnungsamtsleiter am Unglückstag nicht den Aufbau der Zäune, die den Durchgang zusätzlich verengten? Wieso ist er als Koordinator der Veranstaltung nicht verantwortlich?

Doch Antworten des Staatsanwalts deuten fast immer in dieselbe Richtung: Behördenleiter dürfen sich darauf verlassen, dass ihre Mitarbeiter ordentlich arbeiten – das ist die Botschaft, die am Ende dieser Pressekonferenz bleibt.