Polizist vor Monitoren mit Telefonhörer in der Hand

Netz nach Beweisen durchstöbert

Spurensuche im Internet

Stand: 28.07.2010, 13:25 Uhr

Unzählige Videos, Fotos und Beschreibungen der Loveparade-Katastrophe finden sich im Internet. Die Auswertung all dieser Quellen ist eine Mammutaufgabe für die Ermittler.

Von Lars Hering

Private Blogs, Youtube, Facebook, Twitter, Kommentare unter Online-Artikeln, Chatkanäle - die Internet-Quellen, in denen die Polizei Hinweise auf Ursachen für die Loveparade-Katastrophe finden könnte, scheinen unerschöpflich. Bei der Polizei ist man überrascht. "Ich bin seit Sonntag ständig im Internet und staune darüber, wie schnell sich die Informationen vervielfachen", sagt Andreas Nowak von der Gewerkschaft der Polizei NRW (GDP).

Doch nur staunen dürfen die Ermittler nicht. Sie müssen versuchen, der ungeheuren Datenmenge Herr zu werden. Denn letztlich soll die Frage beantwortet werden: Wer trägt die Verantwortung für die 21 Toten und mindestens 652 Verletzten? Das Internet kann bei der Beantwortung dieser Frage helfen.

Spezialisten durchforsten das Netz

Wie aus den vielen Filmen, Fotos und Hinweisen Verwertbares gefiltert wird, möchte die Polizei nicht sagen. Mit dem Hinweis darauf, keine "Einsatztaktiken" verraten zu dürfen, sagt Winfried Südkamp, Sprecher der ermittelnden Kölner Polizei: "Wir haben das Internet bei unseren Ermittlungen im Auge. Wenn wir etwas entdecken, fließt es natürlich mit ein."

Der Beamte weiß, wie schwierig das sein wird: "Wegen der Vielzahl der Informationen ist das nicht leicht. Wir beziehen aber Spezialisten mit ein. Das sind Mitarbeiter, die mit der Internetrecherche gut vertraut sind." Mehr, so Südkamp, könne er nicht verraten.

Grundausbildung ohne Internet

In der Polizeigrundausbildung spielt das Internet bisher keine Rolle. Angesichts der Entwicklung des weltweiten Datennetzes, werde sich dies aber wohl ändern, meint Nowak von der GDP:"Die Arbeit mit dem Internet jedem beizubringen, wird irgendwann einmal notwendig sein."

Bislang können sich interessierte Beamte im Bereich der Internetrecherche oder Internetkriminalität fortbilden lassen. Nowak erklärt, dass auch ohne Fortbildung jeder Polizist möglicherweise mal im Internet nach Filmchen und anderen Hinweisen recherchiere. "Das hängt davon ab, wie fit er darin ist", so Nowak. Und die Kriminalpolizei, die nach einer Tat die strafrechtliche Verantwortlichkeit kläre, sei dann oft noch zusätzlich im Internet unterwegs, um nach weiteren Hinweisen zu suchen.

Techniker helfen den Beamten

Spezielle Netzermittler gibt es beim Bundeskriminalamt (BKA). Sie gehören der "Zentralstelle für anlassunabhängige Recherchen in Datennetzen" (ZaRD) an. Diese Beamten durchforsten nicht das Internet, weil sie - wie nach der Loveparade-Katastrophe - eine bestimmte Straftat aufklären wollen. Sie suchen ohne konkreten Hinweis nach Straftaten, zum Beispiel, um Kinderpornografie zu bekämpfen.

Weitere Spezialisten gibt es bei den sogenannten Beweissicherungstrupps der Polizei. "Diese Kollegen filmen selbst, etwa bei Demonstrationen. Sie werten später ihre Aufnahmen, aber auch Fremdaufnahmen - etwa aus dem Internet - aus", erklärt Nowak. Internetfilme müssten jedoch eine bestimmte Qualität haben, um als Beweis vor Gericht herhalten zu können. Auf ihnen müsse das Geschehen klar erkennbar sein. Das Bild dürfe beispielsweise nicht zu sehr verwackelt sein.

Und schließlich gibt es noch spezielle Techniker bei den Kriminalkommissariaten. Sie helfen, Dateien aus dem Internet zu sichern. "Die sind wie Spurensicherer und werden bei Ermittlungen speziell hinzugezogen", erklärt Wolfgang Wierich, Sprecher der Polizeiinspektion Düsseldorf. Werde etwa ein Raub bei Youtube als Video eingestellt, sichern diese Techniker das Filmchen.

Die Menge an Daten ist zu groß

Ob diese speziell ausgebildeten Kollegen bei der Aufklärung der Loveparade-Katastrophe eingesetzt werden, wollte die Polizei Köln nicht sagen. "Es werden sicherlich technisch versierte Kollegen eingesetzt. Und diese werden aufgrund ihrer Routine auch wichtiges Material finden", versichert Nowak. Doch dass wirklich alle wichtigen Hinweise im Internet gefunden werden können, bezweifelt er. Dafür sei die Menge an Daten einfach zu groß.