Islamisches Gotteshaus in Duisburg eröffnet
Offene Moschee statt Hinterhof
Stand: 26.10.2008, 14:06 Uhr
Mitten in Duisburg-Marxloh ist am Sonntag (26.10.2008) eine Moschee eröffnet worden: Mit großen Fenstern, offenen Türen und einer integrierten Begegnungsstätte für den interreligiösen Dialog. Einblicke in ein etwas anderes Gotteshaus.
Von Jenna Günnewig
Halbmond, Kuppeln, das Minarett - alles, was zu einer osmanischen Moschee gehört, ist da. Doch der traditionelle Stil wird nicht durchgehalten. Die neue Moschee ist durchlöchert von riesigen Rundbogenfenstern. Man kann reinschauen. Und besser noch reingehen, durch die großen, offenen Türen in das prachtvolle, mit Ornamenten verzierte Innere. Offenheit statt Hinterhof. Dialog statt Enklave. Begegnung statt Intoleranz. Die DITIB Duisburg-Marxloh hat eine in Deutschland bisher einmalige Moschee gebaut.
2.500 Quadratmeter verteilen sich auf drei Ebenen, hier soll gebetet und die Begegnung der unterschiedlichen Religionen kultiviert werden. In der integrierten, säkularen Begegnungsstätte sollen sich die Duisburger treffen, sollen Muslime und Nicht-Muslime miteinander Tee trinken, fremde Sprachen und vor allem einander kennen lernen.
Minarett ist niedriger als die umliegenden Kirchtürme
Vorurteile auszuräumen, ist Zehra Yilmaz Job: "Islam heißt Frieden. Das vermitteln wir hier in Kleinarbeit." Die Muslima arbeitet bei der Begegnungsstätte der Gemeinde, zeigt stolz die neuen Räume und macht immer wieder auf Besonderheiten aufmerksam. "Der Eingang der Begegnungsstätte liegt zur Straße hin. Der Eingang zur Moschee aber geht nach hinten." So könnten die nicht-muslimischen Besucher direkt in die Begegnungsstätte kommen, ohne Umwege durch die Moschee. Außerdem sei das Minarett gestaucht und damit kleiner als die umliegenden Kirchtürme. Es sind viele solcher Dingen, bei denen die Gemeinde nachgedacht und Rücksicht auf ihr Umfeld genommen hat. Konzessionen, die das Marxloher Modell zum Erfolg werden lassen und ein Miteinander ermöglichen.
Zündstoff für politische Debatten
Doch an das in den Medien so viel beschworene Wunder von Marxloh will Hartmut Eichholz nicht so recht glauben. Er ist Stadtteilmanager in Marxloh, in seinem Bezirk leben rund 60 Prozent Migranten. Hohe Arbeitslosigkeit, Luftverschmutzung, Armut - und mitten hinein wird mit staatlicher Unterstützung eine wunderschöne Moschee gebaut. Zündstoff für die typischen Debatten: "Die Diskussion hat tausend Facetten", sagt Eichholz. "Muss man das in einem christlichen Land unterstützen? Wie hoch ist die Verkehrsbelastung? Andersherum - gibt es Kirchen in der Türkei?" Eichholz hat lange Sitzungen mit Bürgerunion und Kolpingwerk hinter sich. Trotzdem sieht der 59-Jährige in der Moschee eine Chance für sein Marxloh.
In Marxloh malochten Türken und Deutsche gemeinsam
Denn die Moschee und ihre Begegnungsstätte waren von Anfang an ein Marxloher Gemeinschaftsprodukt. Nachbarn, Pfarrer, Lehrer, Hartmut Eichholz - alle zusammen sitzen im Beirat der Begegnungsstätte. Sie planen und diskutieren, jeder ist eingeladen. So ist die Moschee auch ein bisschen zur Moschee von allen Marxlohern geworden. Es liegt an der Offenheit der muslimischen Gemeinde in Duisburg, dass die großen Probleme ausblieben. Anders als beispielsweise beim Moscheebau in Köln-Ehrenfeld gab es keine großen Proteste.
Vielleicht schweißt die Marxloher auch die Angst vor der Arbeitslosigkeit und der schleichende Untergang der Schwerindustrie zusammen. "Unsere gemeinsamen Wurzeln liegen tausend Meter unter der Erde", sagt Yilmaz. In den 70er-Jahren malochten türkische Gastarbeiter und Deutsche gemeinsam unter Tage. Gastarbeiter wurden geholt, Menschen mit einer eigenen Religion und Familien sind gekommen. In Duisburg-Marxloh gründeten muslimische Arbeiter die DITIB-Merkez-Moschee-Gemeinde in einer alten Zechenkantine. Klein, flach, gerade mal 200 Personen konnten dort gemeinsam beten.
Frauen haben die Organisation übernommen
In die neue Moschee passen über tausend Menschen. 7,5 Millionen kostete der Prachtbau, davon übernehmen Land und EU 3,2 Millionen für die Begegnungsstätte. Der Rest wird aus Spenden und Krediten finanziert. Am Ende war es wie immer bei einem großen Bauprojekt: Es ist teurer geworden und wurde später vollendet als geplant. Zur Eröffnungsfeier herrscht nun hektischer Hochbetrieb: Sicherheitsfragen müssen geklärt, Visa für die Musiker aus der Türkei beantragt werden, und der Boden in der Begegnungsstätte ist auch noch nicht verlegt. Die meiste Organisationsarbeit übernimmt eine Handvoll Frauen. "Kompetenz, die man in der Küche nicht so wahrnimmt", sagt Zülfiye Kaykin, Geschäftsführerin des Trägervereins der Begegnungsstätte.
Aus Gastarbeitern werden Gastgeber
Knapp 30.000 Besucher haben die Merkez-Moschee bereits besucht. Die Marxloher kommen immer wieder vorbei, schauen, wie weit "die an der Warbruckstraße" sind. Eine Radfahrerin fragt, wann endlich die Eröffnung ist und erzählt stolz: "Ich war schon dreimal drin. Man wird sofort reingeschleppt und bekommt die ganze Moschee gezeigt." Auch nach der Eröffnung soll das so bleiben. "Lagerhallen, Depots, Wohnungen, wir wollten weg von der Hinterhofmoschee. Wir wollen stolz sein", sagt Yilmaz. Heute sind sie es. Die ehemaligen Gastarbeiter sind zu Gastgebern geworden. Zehra Yilmaz: "Wir sind angekommen. Meine Religion ist Teil der Gesellschaft."