50 Jahre griechische Gastarbeiter
Kalimera Deutschland
Stand: 29.06.2011, 09:41 Uhr
Am 30. März 1960 wurde das deutsch-griechische Anwerbeabkommen unterschrieben. Das Abkommen öffnete die Tür zum deutschen Arbeitsmarkt. Nordrhein-Westfalen wurde daraufhin zu einem der Hauptziele für Griechen.
Von Maria Kümpel
Giorgos Papasoglou war einer der ersten Griechen, die sich getraut hatten, ins "Fremde" zu ziehen. Die Armut, der Hunger und die Not hatten den Familienvater dazu getrieben. Seine Frau ließ er mit den vier Kindern in seinem Dorf im Nordwesten Griechenlands zurück.
Am 24. April kam der Grieche in Altena im Sauerland an - die Stahlfabrik Mayweg hatte ihn und weitere elf Landsleute eingeladen. Schon am nächsten Tag bekam er seine erste Aufgabe: Streichen - in einer Zwölf-Stunden-Schicht. "Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich so viel gearbeitet", sagt er heute. "Aber das machte mir nichts aus. Ich fühlte mich wohl."
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Der damals 26-Jährige lebt sich schnell ein. Er ist sprachbegabt, lernt früh Deutsch und dient den anderen Griechen als Dolmetscher. Und er ist ehrgeizig. Er arbeitet sich hoch, wechselt oft den Arbeitgeber und ist schon nach drei Jahren Vorarbeiter bei Barmag - einer Remscheider Maschinenbaufabrik. "Schon nach ein Paar Wochen wusste ich, ich will hier bleiben", sagt der Grieche heute. "Deutschland war für mich das Paradies." Es war die Ordnung, die ihm hier so gut gefallen hat, und die Freundlichkeit der Menschen.
"Nachts habe ich bitter geweint"
Seine Frau Anatoli hat die erste Zeit in Deutschland ganz anders erlebt. Sie kam ein halbes Jahr später - Ende November. Es war dunkel, trüb und es begann heftig zu schneien. Die junge Frau sah zum ersten Mal in ihrem Leben Schnee. Auch sie kam als Gastarbeiterin - auch sie musste zwölf Stunden lang, sechs Tage die Woche in der Fabrik malochen. Doch es war nicht die Arbeit, die ihr zu schaffen machte. Die junge Mutter musste ihre vier kleinen Kinder in Griechenland bei den Großeltern lassen. Der jüngste Sohn war noch kein Jahr alt - ein Baby. Nachts war der Trennungsschmerz am schlimmsten. Oft hat die junge Mutter bitter geweint - das Kopfkissen wie ein Baby an die Brust gepresst.
"Alle sagten uns: Nein, nein, nein!"
Erst nach sechs langen Jahren haben sie ihre Söhne zu sich geholt. Doch das Leben wurde nicht einfacher. Es war unmöglich mit vier Kindern ein Haus zu finden. "Alle sagten uns: "Nein, nein, nein!", erinnert sich Anatoli Papasoglou. Am Ende sind sie in ein altes renovierungsbedürftiges Haus ohne Bad eingezogen. Nur die Miete war billig - alles andere teuer.
Doch Giorgos Papasoglou war fleißig und erfinderisch. Nach der Arbeit verkaufte er Brot in den Gastarbeitersiedlungen, sonntags auch Textilien für die Damen. Und 1970 hat er eine griechische Grillstube in Wermelskirchen eröffnet - die erste in der ganzen Gegend. Der Name: Hellas.
30 Pfennig eine Schale Pommes
Seine Frau Anatoli hatte Angst - vor allem wegen der hohen Schulden. 30.000 DM hatte ihr Mann von der Bank geliehen. Würden sie das Geld je zurückzahlen können? Doch die Grillstube wurde schnell sehr beliebt. Die Schulden haben sie schon nach eineinhalb Jahren abbezahlt. Und das Wichtigste: Sie konnten nun für ihre vier Söhne besser sorgen. Alle vier sind aufs Gymnasium gegangen, haben studiert, Arbeit gefunden und eigene Familien gegründet. Und auch ihre eigenen Kinder haben in Deutschland studiert.
"Hellas" ist nach all den Jahren zu einer Wermelskirchener Institution geworden. Als Giorgos Papasoglou sich 1996 zur Ruhe setzen wollte, war schnell klar, dass der älteste Sohn das Restaurant übernehmen würde.
37 Jahre CDU-Mitglied und FC-Köln Fan
Fast 50 Jahre sind vergangen, seitdem Giorgos Papasoglou "ins Fremde" gezogen ist. Eigentlich könnten er und seine Frau jetzt in die alte Heimat zurückkehren. Vor 20 Jahren haben sie sich ein schönes großes Haus in ihrem Dorf direkt am Meer gebaut. Es sollte ihr Alterssitz werden.
Doch ganz zurück nach Griechenland - das kann er sich gar nicht mehr vorstellen. "Wir sind in Deutschland verwurzelt", sagt er. Der Grieche ist 37 Jahre lang Mitglied der CDU, großer FC-Köln-Fan und liebt Eisbein mit Sauerkraut.