Eine Mutter lernt zusammen mit ihrem Sohn

Eltern von Migrantenkindern engagieren sich

Ein Netzwerk für mehr Chancen

Stand: 24.03.2007, 06:00 Uhr

Ungleiche Chancen, Vorurteile, Sprachprobleme: Kinder aus Zuwandererfamilien haben es in Schule und Ausbildung oft nicht leicht. Um ihnen zu helfen, schließen sich am Samstag (24.03.2007) mehr als 50 Migrantenvereine zum Elternnetzwerk NRW zusammen.

Von Rainer Kellers

Luigina Di Bernardo ist eine der Organisatorinnen des Elternnetzwerkes und koordiniert die Gründung. Die 42-Jährige arbeitet als stellvertretende Leiterin für die RAA Solingen - die Regionale Arbeitsstelle zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien.

Am Samstag (24.03.2007) findet in Essen die offizielle Gründung des landesweiten Netzwerkes statt. Darin engagieren sich Eltern mit Zuwanderungsgeschichte für die Verbesserung der Bildungssituation ihrer Kinder. Das Netzwerk ist ein Verbund von Vereinen und wird unterstützt von Bildungs-Institutionen in NRW - unter anderem auch dem Integrationsbeauftragten des Landes, Thomas Kufen, und dem Ministerium für Integration.

WDR.de: Warum müssen sich Eltern aus Zuwandererfamilien untereinander vernetzen?

Luigina Di Bernardo: Wir Eltern machen die Erfahrung, dass wir besonders bei Bildungsfragen nicht mit einbezogen werden und dass unsere Kinder in Schule und Ausbildung schlechtere Chancen haben. Es gibt zwar bereits Vereine und Institutionen von Zuwanderern, die sich mit den Themen Erziehung, Bildung und Schule beschäftigen. Sie haben aber gemerkt, dass sie nur gemeinsam wirklich stark sind. Und aus diesem Grund ist der Wunsch nach einem Netzwerk entstanden.

WDR.de: Was soll dieses Netzwerk leisten?

Di Bernardo: Es soll die einzelnen Kräfte bündeln und gleichzeitig als Sprachrohr gegenüber den Kommunen, der Politik und dem Land dienen. Wir wollen aber auch beispielsweise Elternseminare abhalten. Darin können sich die Eltern fachlich informieren, miteinander diskutieren und Erfahrungen aus der Praxis austauschen. Es wird auch eine Internetseite geben, auf der Informationen für die Eltern gesammelt werden. Die Seite ist zunächst auf deutsch, wird mit der Zeit aber in mehrere andere Sprachen übersetzt.

WDR.de: Welche Probleme sind für das Netzwerk besonders akut?

Di Bernardo: Vor allem die schlechten Chancen der Kinder im deutschen Bildungssystem. Wenn ich mir die Schulstatistik anschaue, sehe ich, dass Migrantenkinder in Haupt- und Sonderschulen überproportional vertreten sind. Am Gymnasium aber sind sie unterrepräsentiert. Das bedeutet aber nicht, dass die Kinder kein Potenzial haben. Es hat vielmehr mit der Schulstruktur zu tun. Viele Kinder lernen die deutsche Sprache erst im Kindergarten. Sie kommen also mit einem viel schlechteren Wortschatz in die Schule. Wenn die Schulen darauf nicht vorbereitet sind, können die Kinder nicht die gleichen Chancen haben wie ihre deutschen Mitschüler.

Andererseits gibt es auch viele Migranten-Kinder, die die deutsche Sprache perfekt beherrschen und bei denen die Schwierigkeiten am Übergang von der Schule zum Beruf beginnen. Jugendliche mit der gleichen Ausbildung und den gleichen Qualifikationen haben Nachteile gegenüber deutschen Jugendlichen. Der Grund sind oft unterschwellige Vorurteile und Ängste in der Gesellschaft insgesamt.

WDR.de: Fehlende Chancen führen zu Frust und Gewalt. Wird das auch ein Thema für das Elternnetzwerk sein?

Di Bernardo: Es kommt darauf an. Wir können sicherlich nicht alle Themen bearbeiten. Und gerade im politischen Bereich gibt es andere Gremien und Organisationen, die da aktiv sind. Beim Thema Kriminalität an der Schule allerdings wird sich das Netzwerk schon engagieren und kritisch äußern.

WDR.de: Ein Netzwerk nur für Migranten - sehen Sie nicht die Gefahr der Abschottung?

Di Bernardo: Nein. Es sind ja auch interkulturelle Vereine beteiligt. Und wir haben den Wunsch, uns weiter zu öffnen. Außerdem werden wird selbstverständlich mit deutschen Organisationen kooperieren. Es geht nicht darum, uns abzuschotten und unter uns zu bleiben. Wir wollen unsere Themen in die deutsche Gesellschaft bringen. Denn hier leben wir.

Das Interview führte Rainer Kellers