
Zehn Jahre Deutsch-Türkisches Forum der NRW-CDU
"Ein exotisches Experiment"
Stand: 29.02.2008, 06:00 Uhr
Das Deutsch-Türkische Forum (DTF) der NRW-CDU feiert am Freitag (29.02.2008) sein zehnjähriges Jubiläum mit einem Empfang in Bonner Haus der Geschichte. Im WDR.de-Interview spricht der DTF-Vorsitzende Bülent Arslan über Widrigkeiten und Erfolge eines "exotischen Experiments".
WDR.de: Welche Bilanz ziehen Sie nach zehn Jahren?
Bülent Arslan: Dem Deutsch-Türkischen Forum ist es gelungen, eine Verbindung zwischen der CDU und der türkischstämmigen Bevölkerung aufzubauen. Bis Ende der 90er Jahre war es für viele fast undenkbar, dass sich Türkischstämmige in der CDU engagieren. Dieses Denken haben wir aufgebrochen, insbesondere in der türkischen Community in Deutschland, in den türkischsprachigen Medien, aber auch in der deutschen Öffentlichkeit. Bedeutende Stationen in diesen zehn Jahren waren für uns Veranstaltungen mit prominenten CDU-Mitgliedern. Darunter waren Angela Merkel, Jürgen Rüttgers und Ronald Pofalla. Das waren wichtige Signale an die Türkischstämmigen in Deutschland.
WDR.de: Wie hat sich das bei den Mitgliederzahlen ausgewirkt?
Arslan: Wir haben mit rund 180 Mitgliedern angefangen und sind jetzt bei 400. Das ist keine grandiose Expansion, aber doch ein stetiges Wachstum. Dazu muss man sagen: Bis 2005 war das DTF ein exotisches Experiment. Das hat sich in den letzten zwei, drei Jahren massiv verändert. Die Bedeutung der Integrationspolitik hat innerhalb der CDU zugenommen. Mittlerweile kommen Stadt- und Kreisverbände, aber auch einzelne Parteifreunde von sich aus auf uns zu. Auch thematisch ist die Resonanz größer geworden. In den Anfangsjahren hat sich die CDU mit unserem Thema praktisch nicht befasst. Das ist heute ganz anders. Unsere Bedeutung innerhalb der Partei ist gestiegen.
WDR.de: Woran machen Sie diesen Einfluss fest?
Arslan: Wir werden in wichtige Entscheidungen einbezogen. Als DTF-Vorsitzender habe ich bei der CDU-Zuwanderungskommission und bei der von Bundeskanzlerin Merkel initiierten Islamkonferenz mitgearbeitet. Ein weiteres Beispiel ist die CDU-Grundsatzkommission, bei der ich Mitglied war: Im Integrationskapitel des neuen Grundsatzprogramms wird der Begriff "Integrationsland Deutschland" verwendet. Das ist unsere Erfindung. Wir haben diesen Begriff als DTF entwickelt, um der Partei ein positives Gegenmodell zum negativ besetzten Begriff Einwanderungsland an die Hand zu geben.
WDR.de: Mit welchen Schwierigkeiten hatten Sie zu kämpfen?
Arslan: Die größte Schwierigkeit, die wir hatten und teilweise noch haben, bestand darin, dass unsere Partei in der Außenkommunikation nicht genügend darauf geachtet hat, dass sie auch den Migranten gegenüber sympathisch auftritt. Das hat für uns immer wieder zu schwierigen Diskussionen innerhalb der Migrantengruppen geführt. Die CDU hat häufig das Thema Integration von Migranten einseitig mit Problemen in Verbindung gebracht. Was allerdings die Programmatik anbetrifft, was die Regierungsebene in Bund und Ländern angeht, da bin ich fest davon überzeugt, dass wir eine sehr gute Integrationspolitik machen. Sie ist zwar noch nicht am Ziel, aber die Richtung stimmt.
WDR.de: 2001 hat die Hagener CDU Sie zum Bundestagskandidaten gekürt. Kurz darauf haben Sie Ihre Kandidatur zurückgezogen, weil es hieß, ein Muslim sei der Basis nicht vermittelbar. Sind türkisch stämmige Mitglieder mittlerweile in der NRW-CDU akzeptiert?
Arslan: Akzeptiert sind wir. Nur muss man die Frage stellen: Wie weit geht diese Akzeptanz? Wenn es um Parteiämter geht, ist die Akzeptanz weitgehend da. Ich habe einige Kollegen, die sitzen in Stadt- und Kreisverbandsvorständen. Wenn es aber um Mandate geht, bei denen nur ein oder zwei Plätze zu vergeben sind - da sieht die Sache anders aus, weil die Konkurrenz größer ist. Da ist es schwieriger.
WDR.de: Wie steht es mit dem Rückhalt bei den CDU-Wählern?
Arslan: Sowohl bei den Wählern als auch bei der Partei-Basis hat in den letzten zehn Jahren ein Wandel stattgefunden. Am Anfang waren wir interessant, weil wir exotisch waren. Momentan kann man im klassischen CDU-Milieu eine Spannung beobachten, die auch in der Gesellschaft allgemein vorhanden ist. Einerseits gibt es eine emotional-kritische Haltung gegenüber Türken und Muslimen, die in letzter Zeit zugenommen hat. Andererseits ist aber auch die Einsicht gewachsen, dass unsere Arbeit als DTF rational notwendig ist und die CDU beim Thema Integration nicht bei Ängsten und Vorbehalten gegenüber Migranten stehen bleiben darf.
WDR.de: Viele in der CDU sagen: "Die Türkei gehört nicht in die EU, das sind zwei unterschiedliche Wertesysteme." Das DTF hingegen setzt sich für den EU-Beitritt ein und kritisiert: "Wer von unvereinbaren Kulturkreisen ausgeht, verunmöglicht Integration." Haben Sie für Ihre Position auch Verbündete in Ihrer Partei?
Arslan: Die Mehrheit in der CDU ist gegen den EU-Beitritt, das ist klar. Aber die Begründungen für diese Haltung sind unterschiedlich. Neben den Werten werden auch die Größe der Türkei oder die Aufnahmefähigkeit der EU ins Feld geführt. Es ist zwar keine Mehrheit, die mit unvereinbaren Werten argumentiert. Aber es gibt eine ernst zunehmende Gruppe, die das so begründet. Doch die angebliche Unvereinbarkeit der Kulturen entspricht nicht der Realität. Wenn das der Wirklichkeit entsprechen würde, wären unsere sämtlichen Integrationsbemühungen sinnlos, denn dann kann das Miteinander ja nicht gut gehen.
Viele in der CDU schauen sich die Situation in der türkischen Gesellschaft an und sagen, guckt her, das ist eine völlig andere Welt und deswegen passt das nicht zusammen. Denen sage ich: Es gibt ohne Zweifel Unterschiede zwischen den beiden Ländern. Aber schaut euch bitte einmal die Stellung der Frau in Deutschland vor 50 bis 70 Jahre an. Schaut euch an, was sich in der Zeit getan hat. Die gleiche Entwicklung durchläuft auch die türkische Gesellschaft - nur eben zeitversetzt. Diese DTF-Position teilen beispielsweise die CDU-Oberbürgermeister von Köln, Duisburg, Hamburg, Frankfurt und Stuttgart - also von Städten, wo viele Türkischstämmige leben.
WDR.de: Was wünscht sich das DTF von der CDU für die nächsten zehn Jahre?
Arslan: Wir wünschen uns, dass sich die Partei mit der Integrationsfrage weiterhin intensiv beschäftigt. Wir wollen zum einen mehr Türkischstämmige in die Partei holen und zum anderen, dass sich die CDU den türkischstämmigen Wählern gegenüber öffnet und Strategien erarbeitet, wie man diese Zielgruppe erreichen kann. Dafür muss die Außendarstellung unserer Partei so gestaltet werden, dass wir auf Migranten sympathischer wirken.
Das Interview führte Dominik Reinle.