
Türkischer Religionsverband im Zwielicht
Verwirrung um Koran-Handbuch
Stand: 03.04.2007, 14:50 Uhr
Für Verwirrung sorgt ein Buch, das der religiöse türkische Dachverband Ditib verkauft haben soll. Darin wird die körperliche Züchtigung von Frauen als legitime Interpretation des Korans empfohlen.
Von Nina Magoley
Erstmals hatte Kubilay Demirkaya das Buch im vergangenen Sommer in den Händen: Unter dem Titel "Erlaubtes und Verwehrtes" wird dort erläutert, wie ein Moslem die Regeln des Koran im täglichen Leben praktizieren soll. Ungläubig habe er darin gelesen, dass Frauen durchaus auch körperlich gezüchtigt werden sollten, berichtet Demirkaya, Integrationsbeauftragter der Kölner CDU. Was ihn aber noch mehr erschreckte: Das Buch war gekauft worden im Buchladen der Türkisch-Islamischen Union (Ditib), die als Dachverband religiöser türkischer Organisationen ihren Hauptsitz in Köln hat.
Buch wurde nicht aus dem Handel genommen
Auf Antrag der CDU stellte die Kölner Stadtverwaltung fest, dass das Buch wirklich bei Ditib vertrieben wurde. Der Verein distanzierte sich von den Inhalten des Buches. Als Demirkaya allerdings im Dezember 2006 während einer Veranstaltung bei Ditib im angeschlossenen Ditib-Buchladen stöberte, stieß er wieder auf das besagte Buch. Zum Beweis kaufte er es und brachte seinen Fund auf dieser Veranstaltung, zu der auch die Kölner Polizei geladen hatte, direkt zur Sprache. Die Verantwortlichen, so erinnert sich Demirkaya, hätten sich verwundert gezeigt. Vergangene Woche beantragte der Kölner CDU-Mann die Untersuchung des Falls durch den CDU-Kreisparteivorstand.
"Kassenbon als Beleg"
Herausgeber des umstrittenen Buches ist die staatliche türkische Religionsbehörde Diyanet. In der Ditib-Zentrale wehrt man alle Vorwürfe vehement ab. "Das Buch ist bereits vor einem halben Jahr aus unserem Programm genommen worden", versichert Verbandssprecherin Ikbal Kilic. Anlass war die Beschwerde des CDU-Politikers. Allerdings gebe es im selben Gebäude noch eine zweite, unabhängige Buchhandlung. Auch ihren Betreiber hätte man aufgefordert, das Buch nicht mehr zu verkaufen, "und er wollte dem auch folgen". Sie selber habe sich davon überzeugt, dass der Titel nicht mehr im Programm sei, erklärt Kilic. Demirkaya dagegen ist sich absolut sicher, das Buch im Dezember im Ditib-Laden gekauft zu haben: "Ich habe den Kassenbon als Beleg."
Dass Ditib unter dem Einfluss der türkischen Religionsbehörde stehe, weist Sprecherin Kilic ebenfalls weit von sich. "Ditib ist ein Verein nach deutschem Recht. Sonst hätte Ditib gar nicht gegründet werden können." Dass Ditib der verlängerte Arm von Diyanet und damit des türkischen Staates sei, "muss man erstmal beweisen."
Zentrum für Türkeistudien skeptisch
Am Zentrum für Türkeistudien in Essen sieht man das etwas anders. "Ditib wird vom türkischen Staat kontrolliert", erklärt Direktor Faruk Sen die Organisation. Der Verband bekomme seine Anweisungen eindeutig von Diyanet. Allerdings beobachte man bei Ditib in jüngster Zeit einen Trend, die Unabhängigkeit von der Türkei in Deutschland unter Beweis stellen zu wollen. "Deshalb kann ich mir nicht vorstellen, dass dieses Buch bewusst ins Programm der Buchhandlung gekommen ist", beurteilt Sen den Eklat. Zwar schätze er den Verband als "konservativ und apolitisch" ein, doch arbeite Ditib auch mit deutschen Behörden zusammen. "Deshalb halte ich einen solchen Fehler für unwahrscheinlich".
In einer Presserklärung vom 22. März 2007 hatte Ditib sich gegen jede Form von Gewalt ausgesprochen. Dort heißt es: Der Koran bildet in unserer Gesellschaft lediglich die spirituelle Grundlage für unsere Religiosität, darf aber keineswegs als Rechtfertigung zur Gewaltanwendung herangezogen werden." Anlass war das umstrittene Urteil einer Frankfurter Familienrichterin, die die Gewaltanwendung eines türkischen Ehemanns mit Verweis auf den Koran gebilligt hatte.