Deutsch-türkische Comedywoche in Essen
"Alles getürkt?"
Stand: 25.05.2009, 07:19 Uhr
In Essen beginnt am Montag (25.05.2009) die deutsch-türkische Comedywoche. Sieben Tage lang wird über Vorurteile gelacht, werden Integration und Multikulti kabarettistisch verarbeitet. Zum Auftakt sprach WDR.de mit dem Prix Pantheon-Gewinner Fatih Cevikkollu.
WDR.de: Herr Cevikkollu, braucht es in der Comedyszene heute noch ein spezielles deutsch-türkisches Festival?
Fatih Cevikkollu: Anscheinend braucht man es noch, weil das deutsch-türkische Verhältnis ein Thema ist. Bei dem Comedy-Festival in Essen wird den Zuschauern ein anderer Blickwinkel präsentiert. Und zwar allen Zuschauern: Eben Menschen mit und ohne Migrationshintergrund.
WDR.de: Den Zuschauern wird also ein Spiegel vorgehalten - was genau wird ihnen denn von den Kabarettisten und Comedians geboten?
Cevikkollu: Es kommen ganz unterschiedliche Künstler mit verschiedensten Programmen. Aber wir sprechen wohl alle über gegenseitige Vorurteile oder über den Verfall der Sprache. Wir haben ja den Krieg verloren, aber nicht die Sprache.
WDR.de: Sie sind Deutscher, 37 Jahre alt und haben einen Krieg verloren?
Cevikkollu: Wenn man den deutschen Pass beantragt, muss man auch automatisch Schuld übernehmen. Jeden Abend von halb acht bis viertel vor acht liegt die gesamtdeutsche Schuld auf mir: Von 19:33 bis 19:45.
WDR.de: Sie sind gern bissig. Wollen Sie gezielt Tabus brechen?
Cevikkollu: Ja! Es darf keine Tabus geben. Je größer das Tabu ist, desto stärker und besser muss das Ende, muss die Pointe sein. Dabei bleibt dem Zuschauer sicher manchmal auch das Lachen im Halse stecken. Die Grundlage von Humor ist ja die Mischung aus Wahrheit und Schmerz. Das ist mal lustig und mal ernster - bitte immer in der richtigen prozentualen Verteilung als schöne Mischung aus leicht und nachdenklich.
WDR.de: Und Sie empfinden sich nicht stellenweise als ausgesprochen böse?
Cevikkollu: Nein! Ich bin voller Liebe zu den Menschen, zu den Zuschauern und mir selbst.
WDR.de: Gibt es denn Themen, die Sie persönlich ausschließen?
Cevikkollu: Nein, ich behandle alle Themen, die mich interessieren.
WDR.de: Zum Beispiel auch Blutfehden und den sogenannten Ehrenmord?
Cevikkollu: Ja, aber es kommt immer auf den Kontext an. Das Tabu braucht eine Auflösung. Nur über die Blutfehde zu sprechen, das wäre zu kurz gegriffen. Aber die Deutschen bekommen Begriffe wie Blutfehde und Ehrenmord nur so um die Ohren gehauen. Deswegen muss man aussprechen, was andere denken. Die Menschen dazu bringen, differenziert über das das Thema nachzudenken. Es geht mir nicht um den Tabubruch oder den Schock, aber darum, bestimmte Gedanken zu behandeln.
WDR.de: Wer bildet denn die größere Zuschauergruppe: Menschen mit oder ohne Migrationshintergrund?
Cevikkollu: Es kommt ein überwiegend deutsches Publikum.
WDR.de: Haben Sie in Ihrem Programm eine persönliche Lieblingsstelle?
Cevikkollu: Ja, die dauert zwei Stunden.
Das Interview führte Christian Herrmanny.