Keine kurzfristige Entlassung für Degowski
Gladbecker Geiselnehmer bleibt in Haft
Stand: 23.08.2013, 11:11 Uhr
Seine Mindesthaftzeit von 24 Jahren hat Dieter Degowski hinter sich. Eine kurzfristige Entlassung wird es für den Geiselnehmer von Gladbeck aber nicht geben. Von Degowski gehe weiterhin Gefahr aus, entschied das Gericht am Donnerstag (22.08.2013).
Mindestens drei Jahre wird der inzwischen 57-Jährige noch auf seine vollständige Entlassung warten müssen. Von Degowski gehe weiterhin eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit aus, entschied das Arnsberger Landgericht am Donnerstag (22.08.2013). Bei einer Entlassung auf Bewährung, wie Degowski sie beantragt hatte, bestehe erhöhte Gefahr, dass Degowski "ins soziale Randmilieu abrutschen könnte, in dem die Gefahr weiterer schwerer Straftaten besteht", so ein Sachverständiger.
Haftbedingungen schrittweise lockern
Das Gutachten des Sachverständigen war nach Angaben des Gerichts unter anderem ausschlaggebend für die Entscheidung der Kammer. Bei einer Anhörung am 14.08.2013 in der JVA Werl hatte Dieter Degowski auch selber Gelegenheit, sich zu äußern. Danach sei das Gericht zu der Einschätzung gekommen, "dass eine bedingte Entlassung zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht verantwortet werden" könne. Für eine Entlassung bedürfe es einer "schrittweisen Vorbereitung des Verurteilten auf ein Leben in Freiheit, die auch die Schaffung einer strukturierten Entlassungssituation beinhaltet". Dieser Prozess brauche etwa drei Jahre. Dementsprechend würden die Haftbedingungen für Degowski nun sukzessive gelockert, kündigte das Gericht an.
"Kein fester Zeitpunkt für die Entlassung"
Nach ihrer Festnahme waren die Geiselnehmer Dieter Degowski und sein Komplize Hans-Jürgen Rösner 1988 zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Auf Antrag Degowskis hatte ein Gericht im Jahr 2001 eine mögliche Entlassung geprüft, war aber zu dem Schluss gekommen, dass die Haftzeit des Verurteilten wegen "besonderer Schwere der Schuld" auf insgesamt 24 Jahre festzulegen sei. Diese Frist war am 23.01.2013 abgelaufen. Beim Urteil "lebenslänglich" bedeute ein solcher Termin aber nicht automatisch das Ende der Haftzeit, erklärt Dorina Henkel, Sprecherin am Landgericht Arnsberg. Seit Mitte vergangenen Jahres sei geprüft worden, ob Degowski reif für eine Entlassung ist. Ergebnis sei nun, dass es "mindestens drei Jahre brauche", um den Gefangenen auf ein Leben in Freiheit vorzubereiten. "Währenddessen muss immer wieder geprüft werden, ob die einzelnen Lockerungsschritte optimal verlaufen." Wie lange der Vorbereitungszeitraum wirklich dauern wird, sei "völlig offen", so die Sprecherin, es gebe "definitiv keinen festen Zeitpunkt für die Entlassung Degowskis".
"Recht auf eine zweite Chance"
Ein Sprecher des NRW-Justizministeriums sagte, man respektiere den Beschluss. "Das Landgericht hat damit die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, nach der auch ein Schwerstkrimineller ein Recht auf eine zweite Chance hat, umgesetzt." Es sei kein Zeitpunkt festgelegt, wann Degowski freikomme.
Während sein Komplize Hans-Jürgen Rösner als Kopf des Verbrechens gilt, wird Degowski als Mitläufer bezeichnet. 1991 war er vom Landgericht Essen zu lebenslänglicher Haft verurteilt worden. Seit mehr als 20 Jahren verbüßt er seine Strafe in der JVA Werl. Dort schloss er nach mehreren Anläufen eine Kochlehre ab und arbeitet als Hofreiniger. Als Gefangener soll er eher unauffällig sein. Im Gegensatz zu Degowski verweigert Rösner immer noch jede Therapie. Seine Entlassung wird erstmals 2016 geprüft, weil das Gericht bei ihm eine längere Mindesthaftdauer festgelegt hat.
Angehörige der Opfer sprachen sich gegen eine Freilassung aus
Der Haftprüfungstermin, der zur Entscheidung des Gerichts führte, hatte kurz vor dem 25. Jahrestag des Gladbecker Geiseldramas stattgefunden, bei dem Degowski vom 16. bis 18. August 1988 zusammen mit seinem Komplizen Hans-Jürgen Rösner durch Deutschland und die Niederlande geflohen war. Dabei hatten die beiden zwei Geiseln erschossen, ein Polizist verunglückte tödlich. Mehrere Menschen wurden verletzt. Das Verbrechen wirkt auch wegen des umstrittenen Verhaltens von Medien bis heute nach. Angehörige der Opfer hatten sich gegen eine Freilassung Degowskis ausgesprochen.