Geiselnehmer Dieter Degowski im entführten Bus

Nicht therapiefähig?

Gladbecker Geiselnehmer

Stand: 14.08.2013, 06:00 Uhr

Am Mittwoch (14.08.2013) wird vor dem Landgericht Arnsberg entschieden, ob der Gladbecker Geiselnehmer Dieter Degowski bald frei kommt. Der Häftling der JVA Werl wird aber wohl in Haft bleiben. Denn der Gutachter hält ihn für "nicht therapiefähig" - ob ihm das Gericht wirklich folgt, ist ungewiss.

Der Mörder und Geiselnehmer Dieter Degowski hat nach 24 Jahren seine Mindesthaftzeit verbüßt. Bei einem Haftprüfungstermin, den das Landgericht Arnsberg nun angesetzt hat, soll über seine weitere Zukunft entschieden werden. Die Chancen des inzwischen 57-Jährigen, tatsächlich auf freien Fuß gesetzt zu werden, sind aber gesunken: Wie Anfang August bekannt wurde, hat sich ein Gutachter gegen eine Freilassung ausgesprochen.

Therapiewillig, aber "intellektuell nicht therapiefähig"

Der "Rheinischen Post" zufolge hat der psychiatrische Gutachter Norbert Leygraf argumentiert, Degowski sei zwar therapiewillig, aber intellektuell nicht therapiefähig. Er habe empfohlen, Degowski in einer mehrjährigen Prozedur auf seine Entlassung vorzubereiten. Die Staatsanwaltschaft Essen hat auf Nachfrage von WDR.de die Existenz des Gutachtens und die Schlussfolgerung des Gutachters, Degowski nicht freizulassen, bestätigt. Was die Begründung und mögliche Alternativen betrifft, verwies Staatsanwältin Birgit Jürgens aber auf die Strafvollstreckungskammer, die beim Landgericht Arnsberg angesiedelt ist.

Deren Sprecherin Dolina Henkel wollte das Gutachten nicht bestätigen, dementieren oder kommentieren: "Das ist ein nicht-öffentliches Verfahren." Sie erklärte allerdings, dass ein Gericht derartigen Gutachten in der Regel folge - es sei denn, die Stellungnahmen etwa der Justizvollzugsanstalt oder des Häftlings selbst, die ebenfalls angehört werden, ergäben ein anderes Bild.

Ex-Geiseln gegen Freilassung

Damit ist es wahrscheinlich, dass Degowski den 25. Jahrestag des Gladbecker Geiseldramas, den 16. August 2013, im Gefängnis in Werl verbringt. Gegen eine Freilassung von Degowski haben sich inzwischen auch zwei ehemalige Geiseln ausgesprochen. Die Italienerin Tatiana de Giorgi, deren 15 Jahre alter Bruder Emanuele von Degowski erschossen wurde, sagte dem "Spiegel": "Ich bin mit einer Entlassung von Degowski auf keinen Fall einverstanden. Er hat meinen Bruder vor meinen Augen umgebracht, das ist doch wohl keine Kleinigkeit." Ines Falk, deren Freundin Silke Bischoff laut dem Untersuchungsbericht durch Degowskis Komplizen Hans-Jürgen Rösner getötet wurde, sagte, sie habe immer noch Angst, "dass eines Tages einer der Gangster vor meiner Tür steht".

Irrfahrt durch mehrere Bundesländer

Entführer Hans-Jürgen Rösner sitzt zusammen mit einem Journalisten im Wagen und gibt ein Interview

Medienhype: Komplize Rösner 1988 im Interview

Am 16.08.1988 hatte Degowski mit Hans-Jürgen Rösner in Gladbeck eine Bank überfallen und auf der Flucht durch Deutschland und durch die Niederlande immer wieder Geiseln genommen. Ehe die beiden auf der Autobahn bei Bad Honnef gestoppt werden konnten, hatten sie eine zweitägige Irrfahrt hinter sich. Bilanz: drei Tote, etliche Polizeipannen und ein Medienhype mit bis dahin ungekanntem Ausmaß.

Anwalt: Niemand spricht mit Rösner

Degowskis Komplize Rösner sitzt in Aachen ein und hat seine Mindesthaftzeit noch nicht hinter sich. Er ist inzwischen verlobt, hat aber noch keinen Hochzeitsantrag gestellt, wie das NRW-Justiziministerium am Mittwoch (07.08.2013) bestätigte. Rösners Anwalt kämpft derweil um Vollzugslockerungen: "Wie man mit ihm umgeht, ist schon besonders", sagt Rainer Dietz. "Niemand spricht mit ihm." Rösner sei, anders als in den Akten behauptet, therapiewillig, wolle aber nicht in der Gruppentherapie mit Kinderschändern zusammen sitzen. "Einer Einzeltherapie würde er sofort zustimmen", so der Anwalt.