Garzweiler-Einsatz weiter in der Kritik
Aufklärung sieht anders aus
Stand: 04.12.2015, 06:00 Uhr
Welchen Einfluss hatte RWE auf die Polizeitaktik bei den Anti-Kohle-Protesten Mitte August in Garzweiler? Nach Recherchen von WDR und Aachener Zeitung war die Kooperation viel enger, als die Beteiligten zugeben wollen.
Von Jürgen Döschner
Berichte des WDR hatten Ende August eine öffentliche Debatte über diese Frage ausgelöst. Doch endgültig beantwortet wurde sie bis heute nicht.
Am 15. August 2015 waren rund 1.000 Braunkohle-Gegner in den Tagebau Garzweiler II eingedrungen, hatten Polizeisperren überrannt und Bagger lahmgelegt. Es kam zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Dabei wurden die rund 1.300 Beamten durch Mitarbeiter privater Sicherheitsfirmen und den Sicherheitsdienst von RWE unterstützt.
Schon während der Proteste waren Journalisten teils mit Gewalt an ihrer Arbeit gehindert worden. Die Journalistenverbände DJV und DJU beschwerten sich wenige Tage später bei NRW-Innenminister Jäger. Und auch die jüngsten Versuche von WDR und Aachener Zeitung, die Vorgänge rund um die sogenannte "Ende-Gelände"-Demonstration zu beleuchten, werden von den Behörden und RWE behindert.
Wie arbeitete RWE mit den Behörden zusammen?
Bereits am 2. September 2015 beantragte der WDR unter Berufung auf das nordrhein-westfälische Informationsfreiheitsgesetz (IFG) beim NRW-Innenministerium und der zuständigen Kreispolizeibehörde Düren Einsicht in die "Ende-Gelände"-Akten: Protokolle und Teilnehmerlisten der verschiedenen Treffen zwischen RWE und Polizei im Vorfeld der Aktionen, Briefe, E-Mails und andere Kommunikation, insbesondere zwischen der Polizei und RWE. Material gibt es reichlich: nach Recherchen von WDR und Aachener Zeitung immerhin 15 bis 20 Gigabyte an digitalen Daten und zehn bis zwanzig Leitz-Ordner an Papierdokumenten.
Großteil der Akten gesperrt
Doch bis heute verweigert die Polizei in Düren den Einblick in den größten Teil dieser Dokumente. Bislang wurde dem WDR lediglich ein knapper Aktenordner mit einer dünnen Auswahl zumeist nichtssagender und großenteils auch anderweitig verfügbarer Dokumente – darunter zahlreiche Presseartikel – präsentiert. Der überwiegende Teil der Akten – unter anderem der komplette E-Mailverkehr zwischen RWE und Polizei im Vorfeld der Demos – ist nach Auskunft der Polizeibehörde gesperrt. Entschieden hat das ausgerechnet jener Leiter der Kreispolizeibehörde Düren, Jürgen Möller, der zugleich Einsatzleiter während der "Ende-Gelände"-Aktion im August war. Ein schriftlicher Bescheid und damit eine schriftliche Begründung für diese Entscheidung wurden dem WDR bis heute nicht zugestellt.
DJV: "Informationsfreiheitsgesetz ausgehebelt"
Der Deutsche Journalistenverband kritisiert diese Informationspolitik der Behörden in Sachen Braunkohle-Proteste. "Damit wird das Informationsfreiheitsgesetz ausgehebelt", sagt Silke Bender, Sprecherin des DJV-Landesverbandes NRW. "Es ist klar, dass es zu diesem Einsatz im August im Braunkohletagebau Unmengen von Daten und Material gibt. Dem WDR dann nur einen geringen Teil zu zeigen, das andere vorzuenthalten, das kann man nicht akzeptieren."
Hinweise auf enge Zusammenarbeit
Immerhin fanden sich selbst in den wenigen einsehbaren Dokumenten weitere Hinweise auf eine enge Zusammenarbeit von RWE und Behörden in dieser Angelegenheit. So zum Beispiel eine E-Mail, die der Pressesprecher der RWE Power AG am 24. August an seinen "lieben Kollegen", den Leiter der Pressestelle des NRW-Innenministeriums, geschickt hat. "Wie heute besprochen" übermittelt der RWE-Pressechef darin auf zehn Seiten den kompletten Mailverkehr zwischen dem WDR und RWE aus der Zeit vom 18.-21. August 2015 ans Innenministerium: Interviewanfragen, Fragenkataloge, Antworten von RWE und Rückfragen des WDR – ohne den WDR darüber zu informieren.
"Einmaliger Vorgang"
Dass ein Konzern kritische Medienanfragen an ebenfalls involvierte staatliche Stellen weiterleitet, bewertet der Deutsche Journalistenverband als einmaligen Vorgang. "Ich sehe keinen Grund, warum die RWE-Pressestelle einen E-Mailwechsel zwischen WDR und RWE-Pressestelle weiterleiten sollte", erklärt DJV-Sprecherin Silke Bender. "Es kann ja nicht sein, dass man sagt, 'passt mal auf, so haben wir geantwortet, orientiert euch daran. Vielleicht könnt ihr auch so antworten'."
Transparenz und Offenheit?
Auf die Frage des WDR, ob Journalisten künftig damit rechnen müssen, dass ihre Anfragen ohne deren Wissen an Dritte weitergegeben werden, teilt die RWE-Pressestelle schriftlich mit: "Es ist für uns ein Gebot der Transparenz und Offenheit, dass wir unsere Antworten auf an uns gerichtete Medienanfragen [...] mit ebenfalls involvierten Stellen und betroffenen Stakeholdern teilen [...]". Vielsagend ist in diesem Zusammenhang die Worterklärung des Dudens. Er definiert Stakeholder als Person, für die es aufgrund ihrer Interessenlage von Belang ist, wie ein bestimmtes Unternehmen sich verhält.
RWE schickt Rechnung an Polizei
Rechnung für Einsatzfahrzeuge
Neben der E-Mail des RWE-Pressesprechers fand sich in dem Ordner auch eine Rechnung, ausgestellt vom Betriebsdirektor des Tagebaus Garzweiler an die "Polizeiwache Düren". Darin stellt RWE der Polizei insgesamt 4.135,93 Euro in Rechnung – für die Nutzung von zehn Geländefahrzeugen und vier Mannschaftstransportwagen samt Personal. Dass die Polizei zur Verfolgung, Einkesselung und zum Abtransport von Umweltaktivisten Fahrzeuge des Konzerns benutzt hatte, war einer der Hauptkritikpunkte an dem Einsatz.