Zwischen Berlin und Düsseldorf wird um die Zukunft der Braunkohle in NRW gerungen: Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) will eine Klimaschutzabgabe für alte Braunkohlemeiler, die besonders klimaschädlich sind. Dagegen läuft seine Parteifreundin Hannelore Kraft Sturm. Die NRW-Ministerpräsidentin fürchtet um die Arbeitsplätze im Revier. Bei einem Treffen zwischen beiden in Berlin am Montag (23.03.2015) sagte Gabriel zu, die Auswirkungen der Klimaschutzabgabe zu überprüfen. Weitaus radikaler als die von Gabriel geplanten Eingriffe sind aber die Forderungen des BUND. Er stellte am Dienstag (24.03.2015) in Düsseldorf ein Gutachten vor, das er beim Öko-Institut e.V. in Auftrag gegeben hat. Dabei ging es nicht um die Frage von Arbeitsplätzen, sondern darum, "welche Braunkohlemengen energiewirtschaftlich noch notwendig und klimapolitisch noch möglich sind."
"Schnellstmöglicher Ausstieg aus Braunkohle"
Im März 2014 hatte die Landesregierung beschlossen, den Braunkohle-Tagebau Garzweiler zu verkleinern. Die stellvertretende Landesvorsitzende des BUND NRW, Kerstin Ciesla, nannte dies "ein in Deutschland bislang einzigartiges Signal", aber es reiche bei weitem nicht aus, die Klimaschutzziele zu erreichen. Sie forderte die Landesregierung auf, "im Zuge der anstehenden neuen Leitentscheidung zur Braunkohlepolitik alle Tagebaue auf den Prüfstand zu stellen." Die Klimaschutzziele seien nur erreichbar, "wenn Nordrhein-Westfalen schnellstmöglich aus der Braunkohle aussteigt", so die Schlussfolgerung von Dierk Bauknecht, einem der Autoren des Gutachtens. Bis 2050 müsse die Stromerzeugung auf 100 Prozent erneuerbare Energien umgestellt werden. Das sei machbar, die Potenziale dafür seien in NRW vorhanden. Allerdings könne NRW dann keinen Strom mehr exportieren.
Die gesetzlich verankerten Klimaschutzziele
Der NRW-Landtag hatte im Januar 2013 das erste deutsche Klimaschutzgesetz mit festgeschriebenen Zielen verabschiedet. Bis zum Jahr 2020 sollen demnach die Treibhausgasemissionen um 25 Prozent verringert werden und bis 2050 um mindestens 80 Prozent – im Vergleich zu den Gesamtemissionen des Jahres 1990. Das Öko-Institut e.V. hat errechnet, wieviel Braunkohle überhaupt noch gefördert werden kann, wenn man diese Ziele erreichen will. Es geht davon aus, dass in den heute genehmigten Tagebauen noch ein Braunkohlevorrat von knapp drei Milliarden Tonnen liege. "Davon müssen je nach Szenario zwischen 1,4 und 2,5 Milliarden Tonnen im Untergrund bleiben. Ansonsten werden alle Klimaschutzziele verfehlt", sagte BUND-Geschäftsleiter Dirk Jansen. Die Szenarien, die zugrunde gelegt wurden, sind die unterschiedlichen Klimaziele vom Bund und von NRW. Beide wollen bis 2050 eine Reduktion um 80 Prozent. Da aber es aber in NRW einen relativ hohen Braunkohleanteil gebe - aktuell liege er bei 45 Prozent - sei das NRW-Ziel ambitionierter. Eine Reduktion von 80 Prozent in NRW entspricht umgerechnet auf ganz Deutschland einem Anteil von 95 Prozent, rechnete Dierk Bauknecht vom Öko-Institut vor.
Auswirkungen fürs rheinische Revier
Tagebau Hambach
"Ein Braunkohleausstieg bis 2030 ist energiewirtschaftlich machbar", sagte Dirk Jansen vom BUND NRW. Die Tagebaue in Hambach und Garzweiler müssten massiv verkleinert werden. Konkret forderte Jansen für Garzweiler einen Abbaustopp vor der Autobahn A61. Die zurzeit geplante Verkleinerung des Tagebaus Garzweiler würde lediglich 500 Tonnen in der Erde lassen. Ebenfalls stark verkleinert werden müsste der Tagebau Hambach. Gegen die Genehmigung der Landesregierung, Hambach bis 2030 fortzuführen, klagt der BUND aktuell. RWE will dort noch rund 1,5 Milliarden Tonnen Braunkohle fördern. Vereinbar mit den Klimaschutzzielen sind jedoch nach Auffassung des BUND nur maximal 700 Millionen Tonnen.
Leitentscheidung Braunkohle
Aktuell ist eine neue Leitentscheidung Braunkohle in Arbeit. Der Entwurf soll im Sommer im Internet veröffentlicht werden. Bürger, Fachbehörden, öffentliche Stellen und die Politik können dann drei Monate lang dazu Stellung nehmen. Für den Herbst 2015 ist eine Verabschiedung der neuen Leitentscheidung geplant. Es hat in der Vergangenheit bereits zwei Leitentscheidungen dieser Art gegeben: 1987 und 1991. Die Leitentscheidung 2015 wird die gesetzliche Grundlage liefern für die Verkleinerung von Garzweiler.
Rund um diese Leitentscheidung wird in den kommenden Wochen und Monaten das Thema Braunkohle verstärkt diskutiert werden. Aktuell formiert sich der Widerstand gegen die Pläne von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, die Braunkohlemeiler, die besonders viel CO2 in die Luft jagen, mit einer Ablage zu belegen. Im rheinischen Revier wären davon 17 der 20 RWE-Kraftwerke betroffen. CDU-Fraktionschef Armin Laschet kritisierte am Dienstag (24.03.2015), dass dieser Vorstoß von Gabriel nicht im Koalitionsvertrag vereinbart und auch nicht mit CDU/CSU abgestimmt worden sei. Laschet schlug als Alternative zur Erreichung der Klimaschutzziele den Ausbau der energetischen Gebäudesanierung vor. Am Mittwoch wollen Mitarbeiter von RWE vor dem Landtag in Düsseldorf demonstrieren.