Wird genug gegen rechte Gewalt vorgegangen?

Anschläge auf Asylunterkünfte

Stand: 03.11.2015, 15:52 Uhr

  • 2015 landesweit bereits 121 Delikte gegen Flüchtlingsheime
  • 14 Gewalttaten und sechs Brandanschläge allein in NRW
  • Aufklärungsquote ist nicht bekannt

Wie oft wurden Asylunterkünfte Ziel von Anschlägen?

Bis zum 1. Oktober 2015 hat die Polizei in Nordrhein-Westfalen insgesamt 121 Anschläge auf Flüchtlingsheime registriert. Bei 115 Delikten gehen die Ermittler von einem rechtsextremen Hintergrund aus. In den meisten Fällen ermitteln die Fahnder wegen Sachbeschädigung oder Volksverhetzung – zum Beispiel bei fremdenfeindlichen Graffiti. Allerdings laufen auch Ermittlungen wegen 14 Gewaltdelikten und sechs Fällen von Brandstiftung. Im Lauf des Oktobers sind offenbar weitere Fälle hinzugekommen – laut NRW-Innenministerium liegen aber zurzeit noch keine neuen Zahlen vor.

  • Gibt es regionale Schwerpunkte?

Weil eine amtliche Statistik zu den Straftaten wohl erst zum Jahresende vorliegt, gibt es derzeit noch keine Erkenntnisse, ob bestimmte Städte oder Regionen besonders große Probleme mit rechtsextremen Anschlägen haben. Einzelne Vorfälle wurden aber aus allen Landesteilen bekannt – neben den Großstädten sind auch die ländliche Gebiete betroffen.

  • Wie viele Taten wurden aufgeklärt?

Auch weil sich ein Großteil der Taten erst in den Sommermonaten ereignete, steht die juristische Aufarbeitung der Straftaten noch aus – auch dann, wenn die mutmaßlichen Täter bereits gefunden werden konnten. Laut NRW-Innenministerium ermitteln die Staatsanwaltschaften zurzeit gegen 50 Personen wegen Delikten im Jahr 2015 gegen Flüchtlinge und ihre Unterkünfte. Wie viele der bisher bekannten 121 Anschläge letztlich aufgeklärt werden können, wird man wohl erst in einigen Monaten wissen. Eine schnellere Verurteilung der Täter, wie sie zurzeit häufig gefordert wird, vertrage sich nicht mit den Grundsätzen des Rechtsstaats, heißt es weiter: "Die Unschuldsvermutung gilt für jeden."

  • Ist die Polizei der Situation noch gewachsen?

Aus den Kommunen werden erste Zweifel laut, ob die Polizei die Sicherheit von Flüchtlingseinrichtungen garantieren kann. So fordern der Deutsche Städte- und Gemeindebund und die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) zusätzliche Sicherheitskräfte als Objektschützer einzustellen. Mit einer durchgehenden Bewachung von Flüchtlingsunterkünften - vor und nach dem Bezug – sei die Bereitschaftspolizei überfordert, sagt DPolG-Vorsitzender Rainer Wendt. Die Einsatzkräfte seien bereits durch eine Fülle anderer gesetzlicher Aufgaben gebunden. Städtebund-Geschäftsführer Gerd Landsberg forderte in einem "Handelsblatt"-Interview zusätzlich, die Polizeikräfte zu verstärken und mehr Geld vom Bund für den Objektschutz. Dagegen sieht die NRW-Landesregierung derzeit keinen Grund zur Sorge. Die Polizei sei durchaus in der Lage, die Sicherheit von Flüchtlingen zu schützen, teilte das Innenministerium in Düsseldorf mit. "Wir sind gut aufgestellt", sagte ein Ministeriumssprecher dem WDR.

  • Wie reagieren die Behörden auf die steigenden Zahlen?

Seit 2012 - als Reaktion auf die Taten des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) – gibt es in der Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamts das "Kompetenzzentrum gegen Rechtsextremismus". Seitdem werden dort zentral alle Delikte erfasst, bei denen von einem rechtsextremistischen Hintergrund ausgegangen wird - auch die Anschläge auf die Flüchtlingsheime in NRW. Durch die Bündelung der Kräfte sollen Anhaltspunkte für überregionale, länderübergreifende oder internationale Tatzusammenhänge leichter erkannt werden. Ob die neue Organisation einen echten Vorteil bei der Eindämmung rechter Straftaten hat, kann wohl erst in einiger Zeit beurteilt werden.