Prozess gegen Wuppertaler Neonazis
Kronzeuge sagt aus
Stand: 11.06.2013, 20:36 Uhr
Weil sie eine Filmpremiere in einem Wuppertaler Kino gestört haben sollen, stehen seit Dienstag (11.06.2013) sechs Männer, die der Neonazi-Szene zugeordnet werden, vor Gericht. Ihnen wird Landfriedensbruch vorgeworfen, vier Prozesstage sind angesetzt.
Die Anklage konnte am Dienstag einen Aussteiger aus der Neonazi-Szene als Kronzeugen präsentieren. Der Mann befindet sich im Zeugenschutzprogramm und erschien mit Personenschützern im Gericht. Etwa 30 Leute stark sei der Trupp der rechten Szene gewesen. Man habe im "roten" Wuppertal Präsenz zeigen wollen, er sei dazu auch angereist, sagte der Zeuge aus. Auch eine Frau, die sich inzwischen aus der Neonazi-Szene gelöst hat, erschien zur Zeugenaussage: Im Vorfeld des Prozesses habe man ihr mit Vergewaltigung und Mord gedroht, falls sie gegen ihre Ex-"Kameraden" aussage, berichtete sie. Sie habe an den Stimmen dabei auch die von Angeklagten des Verfahrens erkannt.
Randale bei Premiere eines Nazi-Aufklärungsfilms
Insgesamt 15 Personen sollen am 30. November 2010 die Premiere des Nazi-Aufklärungsfilms "Das braune Chamäleon" des Wuppertaler Medienprojekts für Jugendliche in einem Multiplex-Kino gestört haben. Vermummte Gestalten, die der rechten Szene zugeordnet werden, hätten sich laut Zeugen vor dem Kino versammelt und das Foyer gestürmt, wurden dort allerdings vom Sicherheitspersonal aufgehalten und zum Ausgang gedrängt. Daraufhin wurde Reizgas versprüht. Mehrere Besucher mussten deswegen ambulant behandelt werden. Laut Staatsanwaltschaft konnte nicht geklärt werden, ob die Angeklagten das Pfefferspray benutzt hatten oder ebenfalls anwesende Mitglieder der Antifa. Ebenfalls vorgeworfen wird den Angeklagten, Steine gegen das Gebäude geworfen zu haben. Auch mit Werkzeugen sollen sie gegen die Fensterfront des Kinokomplexes geschlagen haben.
Sechs Angeklagte zwischen 20 und 28 Jahren
Die Polizei nahm damals 13 Personen fest. Zehn wurden wegen Landfriedensbruchs angeklagt, wobei mittlerweile gegen vier von ihnen das Verfahren eingestellt wurde, da sie teilweise wegen anderer Straftaten bereits verurteilt worden sind oder die Verfahren gegen Auflagen eingestellt wurden. Die sechs verbleibenden Personen auf der Angeklagebank sind zwischen 20 und 28 Jahren alt und werden der rechten Szene Wuppertals zugeordnet.
Dort soll sie sich im Westen der Stadt angesiedelt haben, nachdem es im Herbst 2011 zu einem Übergriff von Neonazis auf Personen des linken Spektrums am großen Flohmarkt in Wuppertal-Vohwinkel gekommen war. Laut einer Studie der Berliner Amadeu-Antonio-Stiftung gilt Wuppertal seitdem als "Neonazi-Hochburg". Die Wuppertaler Polizei erhöhte daraufhin den Druck und setzte gezielte Maßnahmen gegen stadtbekannte Neonazis ein. Laut Polizei sind die rechtsextremen Straftaten seitdem zurückgegangen.
Verfahren wurde zwischenzeitlich eingestellt
Dass der Fall der Kino-Randale erst nach zweieinhalb Jahren vor Gericht kommt, liegt daran, dass die Staatsanwaltschaft zwischenzeitlich das Verfahren eingestellt hatte. Das Geschehen am Kino sei damals "zu tumultartig und unübersichtlich" gewesen, um einzelne dafür zu belangen. Gegen die Einstellung des Verfahrens protestierte das Medienprojekt mit einem offenen Brief an die Polizeipräsidentin und legte eine Zeugenliste vor. Nach Vernehmung der Zeugen wurde schließlich Anklage erhoben.
Für den Prozess, der am Dienstag (11.06.2013) vor dem Amtsgericht in Wuppertal beginnt, sind vier Verhandlungstage angesetzt. 13 Zeugen, von denen fünf Polizeibeamte sind, sollen gehört werden, wie ein Gerichtssprecher bestätigte.