Rechte Gewalt im Netz

Hassbotschaften im Social Web

Stand: 09.07.2013, 06:00 Uhr

Um mehr als 50 Prozent sind rechtsextreme Inhalte auf Facebook, Twitter und YouTube 2012 angestiegen. Das Problem: Oft kommen solche Einträge gut getarnt daher. Doch es gibt Strategien, um Kinder und Jugendliche dagegen zu wappnen, sagt Stefan Glaser von "Jugendschutz.net".

Jugendschutz.net wurde 1997 gegründet und ist von den Bundesländern beauftragt, das Internet auf kinder- und jugendgefährdende Inhalte hin zu überwachen. Stefan Glaser ist dort Leiter des Bereichs Rechtsextremismus. Für den Bericht "Rechtsextremismus online", der am Dienstag (09.07.2013) vorgestellt wird, hat Jugendschutz.net Strategien der rechtsextremen Szene im Social Web untersucht.

WDR.de: Rund 5.500 rechtsextreme Beiträge und Angebote hat Jugendschutz.net im Jahr 2012 auf Facebook, Twitter und Youtube registriert. Was für Beiträge waren das hauptsächlich?

Stefan Glaser: Das Gros der von uns gesichteten Angebote, immerhin 80 Prozent, waren Profile und Seiten von rechtsextremen Gruppen wie Kameradschaften oder neueren Strömungen wie den Identitären. Vor allem auf ausländischen Plattformen werden vermehrt strafbare Inhalte verbreitet. Auch die Brutalität von Einzelinhalten hat zugenommen. Nicht selten stoßen wir auf Gewaltaufrufe gegen Minderheiten. Auch massive Gewaltdarstellungen wie Videos, die rassistische Morde zeigen, sind zu finden.

WDR.de: Mehrere Tausend Videos bei Youtube wurden auf Initiative von Jugendschutz.net gelöscht oder für Zugriffe aus Deutschland gesperrt. Wie gehen Sie vor, wenn Sie im Netz auf rechtsextreme Inhalte treffen?

Glaser: Wenn wir über Hinweise oder eigene Recherchen auf rechtsextreme Angebote stoßen, findet zunächst eine eingehende Sichtung und Bewertung statt. Stellen wir Verstöße gegen Jugendschutzbestimmungen fest, kontaktieren wir in der Regel den Plattformbetreiber. Da wir gute Kontakte zu den meisten großen Diensten haben, lässt sich dadurch in fast allen Fällen eine Entfernung erreichen. Handlungsbedarf besteht vor allem bei der Frage des Uploads bekannter rassistischer Inhalte. Hier sind die Betreiber gefragt, mit technischen Mitteln sicherzustellen, dass bereits gelöschte oder ähnliche Inhalte nachhaltig von den Plattformen verschwunden bleiben und nicht erneut hochgeladen werden können.

WDR.de: Oft liegen rechtsextreme oder kinderpornografische Inhalte auf ausländischen Servern. Wie weit reicht Ihr Zugriff dort?

Glaser: Viele ausländische Provider untersagen in ihren Nutzungsbedingungen die Verbreitung von Hate Speech (engl.: Hass-Sprache). In solchen Fällen gehen wir dann auf die Betreiber zu, machen auf den Verstoß gegen die eigenen AGB aufmerksam und bitten um Löschung. Die meisten Provider sind dankbar für solche Hinweise und reagieren prompt.

WDR.de: Durchsucht Jugendschutz.net das Internet auf eigene Initiative oder reagieren Sie, wenn Ihnen fragwürdige Einträge gemeldet werden?

Glaser: Im Bereich des Rechtsextremismus recherchieren wir hauptsächlich selbst. Wir bearbeiten aber natürlich auch Hinweise, die wir von Internetusern über unsere Online-Beschwerdestelle gesendet bekommen.

WDR.de: Rechtsextreme Organisationen sind mittlerweile sehr erfinderisch, was die Tarnung ihrer Inhalte im Internet angeht. Woran erkennt man solche Seiten oder Einträge?

Glaser: In vielen Fällen muss man schon Experte sein, um den rechtsextremem Kontext zu enttarnen. Rechtsextreme geben sich und ihren Angeboten unverdächtige Labels und grenzen sich gezielt vom gängigen Bild des Neonazis ab, der rassistisch und rückwärtsgewandt den Nationalsozialismus herbeisehnt. Wir finden Profile mit Namen wie "Zukunftskinder" oder "Mauerblümchen", die tatsächlich modern und zukunftsorientiert wirken. Letztlich wird aber eine Ideologie der Ungleichwertigkeit verbreitet, die sich aus rassistischen und neonazistischen Überzeugungen speist. Die gilt es zu entlarven.

WDR.de: Was können Eltern oder Lehrer tun, um Kinder und Jugendliche auf Begegnungen mit extremen Inhalten im Internet vorzubereiten?

Glaser: Wichtig ist, nicht allem Glauben zu schenken, sondern Inhalte im Netz kritisch zu betrachten und zu hinterfragen. Gerade in Sozialen Netzwerken ist das eine Herausforderung, denn vermeintlich witzige oder interessante Beiträge werden schnell geteilt und erzielen dadurch Breitenwirkung. Hier braucht es Angebote, um mit Jugendlichen gemeinsam die Systematik von Hassbotschaften zu reflektieren und sie für die Auseinandersetzung mit Rassismus, demokratie- und menschenverachtenden Beiträgen in ihren Social Communitys zu stärken.

Das Interview führte Nina Magoley.