Arbeitsplätze in der Braunkohle-Industrie
Wie viele Jobs sind wirklich in NRW gefährdet?
Stand: 25.03.2015, 06:00 Uhr
- Laut RWE sind 100.000 Arbeitsplätze durch die Pläne von Wirtschaftsminister Gabriel bedroht.
- Der Branchenverband der Braunkohle-Industrie nennt andere Zahlen.
- Eine Demo von RWE vor dem Landtag ist wegen des Flugzeugabsturzes abgesagt worden.
Von Sabine Tenta
Eigentlich wollten am Mittwoch (25.03.2015) tausende Mitarbeiter von RWE vor dem Landtag demonstrieren. Wegen des Flugzeugabsturzes ist die Kundgebung jedoch abgesagt worden. Seit die Pläne von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) bekannt sind, ab 2020 die größten CO2-Schleudern im Land mit einer Abgabe zu belegen, ist die Furcht um die Arbeitsplätze im rheinischen Braunkohlerevier groß. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) machte sich stark bei ihrem Parteikollegen, die Pläne zu überdenken. Und CDU-Fraktionschef Armin Laschet sprach am Dienstag (24.03.2015) in Düsseldorf davon, dass "70.000 Arbeitsplätze gefährdet sind". Kurze Zeit später erklärte die energiepolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Wibke Brems: "Dass angeblich 70.000 Arbeitsplätze in der Braunkohle bedroht seien, ist unverantwortliche Panikmache." Auch NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) mahnte, die Zahlen erst einmal zu überprüfen. Wie viele Arbeitsplätze sind wirklich gefährdet?
Die Zahlen von RWE
RWE-Zentrale in Essen
Immer wieder war in den letzten Tagen zu lesen, dass RWE zwischen 30.000 und 70.000 Arbeitsplätze bedroht sehe. Was hat RWE genau gesagt? Der Energiekonzern spricht davon, dass "Arbeitsplätze in der Größenordnung von mindestens 30.000 Stellen" in der Braunkohleindustrie bedroht seien, "sogar weit über 70.000 Stellen bei Zulieferern und mittelständischen Partnerfirmen in der Region sowie in der stromintensiven Industrie". Und zwar zusätzlich zu den 30.000.
Auf Nachfrage sagte RWE-Sprecherin Sabine Jeschke dem WDR, dass sich die Zahl der direkt betroffenen Arbeitsplätze nicht auf NRW, sondern auf ganz Deutschland beziehe. Arbeitsplätze in den ostdeutschen Revieren sind also miteingerechnet. RWE selbst hat nach eigenen Angaben rund 11.000 eigene Mitarbeiter im rheinischen Revier, bundesweit seien es 30.000. Interessanterweise nennt der Branchenverband der Braunkohleindustrie, Debriv, aber für Gesamtdeutschland lediglich 21.406 Beschäftigte in der deutschen Braunkohleindustrie.
Die indirekt betroffenen Arbeitsplätze
Auch die Zahl der indirekt betroffenen Arbeitsplätze von 70.000, die RWE angibt, scheint großzügig gerechnet. Gemeint sind nämlich nicht allein Zulieferer. RWE bezieht in die Rechnung auch Auswirkungen auf die gesamte Industrie durch Strompreiserhöhungen ein - und zwar nicht nur bei der stromintensiven Industrie, wie es zunächst geheißen hatte. Konzernsprecherin Jeschke sagte auf Nachfrage, RWE beziehe sich auf ein BDI-Gutachten aus dem November 2014, das für die deutsche Industrie bei einer Strompreiserhöhung bis zu 50.000 Arbeitsplätze in Gefahr sehe. Und dass der Strompreis steigt, wenn die Braunkohle wegfällt, davon geht RWE aus. Doch das scheint spekulativ zu sein, da noch völlig offen ist, wie sich der Strommarkt bei einer Umstrukturierung entwickelt.
Zahlen der IHK Aachen
Die Industrie- und Handelskammer Aachen kommt denn auch zu ganz anderen Zahlen. Sie rechnet mit 25.000 Arbeitsplätzen in NRW, die indirekt betroffen wären. Dabei greift die IHK auf die Faustformel zurück, dass an einem Arbeitsplatz in der Braunkohleindustrie indirekt ungefähr 2,5 weitere Arbeitsplätze hängen. Dazu zählten beispielsweise Dienstleister und Zulieferer. "Die energieintensive Industrie sollte man nicht in solche Zahlen reinrechnen", warnt IHK-Sprecher Fritz Rötting. Denn wenn es keinen Strom aus Braunkohle gebe, werde es ja einen Ersatz geben, das bedeute nicht die Aufgabe der Arbeitsplätze in der stromintensiven Industrie.
Fakt ist also, dass in NRW bei RWE gut 11.000 Menschen im Rheinischen Revier beschäftigt sind. Bei der Zahl der indirekt betroffenen Arbeitsplätze ist viel Spielraum für kreative Rechenkünste. Und bei all diesen Szenarien geht man von dem schlimmsten Fall aus, dass nämlich sämtliche Arbeitsplätze in und um die Braunkohle-Industrie wegfallen. Die Pläne von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel sind noch in der Abstimmung. Man wird also abwarten müssen, wie sehr die Braunkohle-Industrie am Ende wirklich belastet wird und welche Auswirkungen das auf die Arbeitsplätze hat.