1. Stellungnahme zur ARD-Selbstverpflichtung
Der WDR-Rundfunkrat hat eine Stellungnahme zum Entwurf der ARD-Selbstverpflichtung verabschiedet. Das Gremium kritisiert die Mehrfachverwendung von nicht quantifizierbaren Zielen und Indikatoren sowie die Unklarheit der Verknüpfung von Zielen und Erfolgsindikatoren in den einzelnen Projekten. Die ARD-Selbstverpflichtung sollte sich stärker auf die zukünftig im Vordergrund stehenden Themeninhalte konzentrieren, anstatt primär marketingorientiert zu sein. Insgesamt komme der lineare Bereich sowohl im Ausblick als auch im Rückblick zu wenig zur Geltung. Darüber hinaus identifizierte das Gremium einzelne Bereiche, die in der Selbstverpflichtung stärkere Abbildung finden sollten, so z.B. die Bedeutung der kulturellen Inhalte oder das Korrespondentennetzwerk der ARD. Die Gremienvorsitzendenkonferenz der ARD (GVK) hatte von den Intendantinnen und Intendanten in der Vergangenheit stets gefordert, an konkreten Beispielen aufzuzeigen, in welche Richtung die ARD ihr Gemeinschaftsangebot entwickeln will, und diese Zielvereinbarungen mit entsprechenden Erfolgsindikatoren zu versehen. Dies wurde im Rahmen der letzten Fassung der Selbstverpflichtung aus dem Jahr 2021 bereits im perspektivischen Teil umgesetzt. Nun wurde dieser neue Ansatz erstmals auch im retrospektiven Teil des Berichts umgesetzt. Die ARD-Selbstverpflichtung soll sicherstellen, dass die Programmleistungen auf ARD-Gemeinschaftsebene zur Erfüllung des Programmauftrags geeignet sind und dies auch für die kommenden Jahre zu erwarten ist. Die Stellungnahme wurde zuvor vom Programmausschuss des Rundfunkrats erarbeitet. Sie wird im nächsten Schritt der GVK zugeleitet, die das Verfahren für alle ARD-Gremien koordiniert. Die Endfassung der ARD-Selbstverpflichtung ist für den November avisiert.
2. Rundfunkrat begleitet Zukunftsprozess
Intendant Tom Buhrow berichtete in der Sitzung des WDR-Rundfunkrats über die jüngsten Maßnahmen im Rahmen des ARD-Reformprozesses. In der Vergangenheit seien innerhalb der ARD bereits Synergien im Bereich der Administration und im programmtechnischen Bereich geschaffen worden – nun sollen programmliche Maßnahmen folgen. Ab 2024 sollen hierzu medienübergreifende Kompetenzzentren zu den Themen Verbraucher, Klima und Gesundheit eingerichtet werden. An den Themenfeldern können sich verschiedene Landesrundfunkanstalten beteiligen und Inhalte zuliefern – die regionalen Inhalte bleiben davon unberührt. Danach sollen die Themenfelder Reisen, Künstliche Intelligenz (KI) und Kochen/Kulinarik ergänzt werden. Ziel ist dieser angestrebten Synergien ist es auch, Ressourcen für die Produktion von digitalen Inhalten frei zu machen. Am vergangenen Montag sind außerdem die neuen ARD-Transparenzseiten online gegangen, auf der die Gehaltsstrukturen der Geschäftsleitungen nun gesammelt und ARD-einheitlich abgebildet sind.
3. Programmbeschwerden abgelehnt
Der WDR-Rundfunkrat konnte bei fünf Programmbeschwerden zur Sendung ‚hart aber fair‘ vom 27. Februar 2023 keinen Verstoß gegen die gesetzlichen Programmgrundsätze feststellen. Zu der Sendung mit dem Titel „Frieden mit Putins Russland: Eine Illusion?“ hatten die Beschwerdeführerinnen und -führer unterschiedliche Vorwürfe zu zwei Themenkomplexen der Sendung erhoben. Ein Beschwerdeführer kritisierte einen Einspieler, in dem der Moderator Louis Klamroth seine Eindrücke von einer Friedensdemonstration schilderte, die im Vorfeld der Sendung stattgefunden hatte. Vier weitere Programmbeschwerden betrafen einen zweiten Einspieler sowie Diskussionsführung und Umgang des Moderators mit der Teilnehmerin Sahra Wagenknecht. Gabriele Hammelrath erklärte in der Sitzung, dass eine Diffamierung der Demonstranten im ersten Beitrag nicht erkennbar gewesen sei. Die Frage nach der Anwesenheit auch rechtsextremer Personen auf der Demonstration sei legitim gewesen. Grundsätzlich wurde im Programmausschuss aber die Abbildung eines breiten Meinungsspektrums im Rahmen von Straßenumfragen kritisch diskutiert. Beim zweiten Einspieler und der anschließenden Diskussion sei Louis Klamroth seiner Aufgabe als Moderator nachgekommen und habe die Debatte auf das von ihm gesetzte Thema zurückgeführt. Insgesamt seien mit Blick auf die Äußerungen des Moderators und den Einspielfilm keine falschen Tatsachenbehauptungen zu beanstanden. Hammelrath hatte die Sitzung des Programmausschusses geleitet, in der die Programmbeschwerden vorberaten worden waren.
Außerdem befasste sich der Rundfunkrat mit einer Programmbeschwerde zur Sendung ‚Wissen macht Ah!‘ vom 5. Dezember 2022, die sich u.a. mit verschiedenen Fragen rund um das Thema des Gendern beschäftigte. Kritisiert wurde ein Teil der Sendung, der nach Ansicht des Beschwerdeführers eine Drittelung der Gesellschaft in männliche, weibliche und nicht-binäre Menschen unterstellt habe. Zudem sei der Zusatz „preußisch“ im Beitrag „Woher kommen die Farben der Deutschlandfahne?“ bei der Beschreibung der Stadt Jena unzutreffend. Der Programmausschuss konnte keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass mit der kritisierten Passage eine Drittelung der Gesellschaft gemeint gewesen sei – dies sei auch auf der Bildebene des Beitrags deutlich geworden. Der aus historischer Sicht tatsächlich fehlerhafte Zusatz „preußisch“ sei zwischenzeitlich korrigiert worden, begründe jedoch keinen Gesetzesverstoß.
Eine weitere Programmbeschwerde zu einem Facebook-Post auf dem „WDR Satire“-Kanal vom 6. Februar 2023 wurde wegen Verfristung als unzulässig zurückgewiesen. Inhaltlich setzte sich der Programmausschuss jedoch äußerst kritisch mit dem Beitrag auseinander, der einen Vergleich zwischen Vermieterinnen und Vermietern einerseits und Ratten andererseits zog. Eine deutliche Mehrheit des Programmausschusses war von dem Vergleich äußerst betroffen, da dieser eine Diktion aus dem nationalsozialistischen und faschistischen Sprachgebrauch aufgreift. Gabriele Hammelrath betonte, dass der Programmausschuss einen solchen geschichtsvergessenen Umgang mit der deutschen Sprache in aller Deutlichkeit ablehne. Auch der WDR stufte den Beitrag rückblickend als problematisch ein und hatte ihn nach der Sitzung des Programmausschusses von der Facebook-Seite „WDR Satire“ entfernt.
4. Mitglieder berichten aus Programmbeiräten von ARD und ARTE
Gabriele Hammelrath
Die vom Rundfunkrat in die Programmbeiräte von ARD und ARTE entsandten Mitglieder legten dem Gremium ihre Jahresberichte vor. Gabriele Hammelrath berichtete aus dem Programmbeirat der ARD, dass die Mitglieder die Qualität der Moderation und Dokumentation während der Fußball-WM positiv bewertet haben. Generell kritisierte das Gremium jedoch eine wahrgenommene Überbetonung des Fußballs in der gesamten Sportberichterstattung. Neben der konkreten Bewertung einzelner Formate befasste sich der Programmbeirat auch mit den veränderten Aufgaben und einer stärkeren Vernetzung der Aufsichtsgremien, u.a. im Rahmen der Qualitätskontrolle, wie sie z.B. bei einer gemeinsamen Betrachtung der öffentlich-rechtlichen Talk-Sendungen stattgefunden hat.
Dr. Constanze Tiwisina
Dr. Constanze Tiwisina, Mitglied des Programmbeirats von ARTE Deutschland, betonte die wichtige Rolle des öffentlich-rechtlichen Kultur- und Bildungssenders ARTE in der aktuellen Debatte um die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Besonders hervorzuheben ist aus ihrer Sicht die einzigartige Position von ARTE als europäische Plattform für Rundfunkinhalte. ARTE stellt die Inhalte in seiner Mediathek bereits in sechs verschiedenen Sprachen zur Verfügung. Damit können 70 Prozent der Europäerinnen und Europäer die Inhalte in ihrer Muttersprache erleben, so Tiwisina weiter. Mit Blick auf die Programmbeobachtung wurde die Berichterstattung von ARTE zum Krieg in der Ukraine sowie ein aktueller Beitrag über die kürzlich verstorbene Schauspielerin Jane Birkin hervorgehoben.
5. WDR-Erfüllungsbericht 2022 abschließend beraten
Mit dem sog. Erfüllungsbericht informiert der Intendant den Rundfunkrat über die Umsetzung der WDR-Programmrichtlinien und damit die Erfüllung des gesetzlichen Programmauftrags. Der russische Angriff auf die Ukraine im Februar 2022, der über Wochen zu einer umfangreichen Berichterstattung geführt hatte, bildet einen wichtigen Aspekt. Daneben skizziert der Bericht weitere Programmschwerpunkte im Jahr 2022, reflektiert aber auch die Kritik des Publikums. Maßgeblich für die Programmentwicklung und -verbreitung bleiben die strategischen Ziele aus dem Erfüllungsbericht 2020/2021 – beispielsweise, dass bis 2025 in NRW jede dritte Person täglich und jede zweite Person wöchentlich mit den nicht-linearen Angeboten des WDR erreicht wird oder dass die Angebote des WDR zum größeren Teil auf dessen eigenen Plattformen, Seiten und Apps genutzt werden sollen. Erstmals fokussiert der Erfüllungsbericht nicht nur die linearen Fernseh- und Radiokanäle, sondern geht auch auf den aktuellen Stand digitaler Handlungsfelder von strategischer Bedeutung ein. Die Zusammenführung bisher nach Ausspielwegen getrennter Berichte hatte der Rundfunkrat im vergangenen Jahr beschlossen.
6. Bericht über Kooperationen des WDR im Jahr 2022
Der WDR-Rundfunkrat hat in seiner Sitzung den Bericht über die Zusammenarbeit mit anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und Dritten für das Jahr 2022, den sogenannten „Kooperationsbericht“ abschließend erörtert. Das Gremium lobte die Vielfalt der Kooperationen: Ein Beispiel ist die Intensivierung der Zusammenarbeit im Kulturbereich – insbesondere nach der Corona-Pandemie. So konnten wichtige Partnerschaften im Kultur- und Kunstbereich fortgeführt oder neu initiiert werden. Der WDR berichtet dem Rundfunkrat gemäß § 7 Abs. 3 WDR-Gesetz einmal jährlich über bestehende Kooperationen oder wesentliche Veränderungen von Kooperationen. In dem Bericht bewertet er diese und schlägt gegebenenfalls Möglichkeiten zu ihrer Weiterentwicklung oder Beendigung vor.
7. Produktionsvertrag für ‚Die Carolin Kebekus Show‘ genehmigt
Der Rundfunkrat stimmte der Verlängerung des Produktionsvertrags für ‚Die Carolin Kebekus Show‘ mit weiteren Ausgaben in den Jahren 2024 und 2025 zu. Darüber hinaus verwies er die Verträge für die Talkformate ‚Hart aber fair‘, ‚Maischberger‘ sowie ‚Miosga‘ als Nachfolgesendung von ‚Anne Will‘ am Sonntagabend in der ARD zur weiteren Beratung an seinen Programmausschuss. Für die Talkshows ist jeweils eine Verlängerung für die Jahre 2024 und 2025 vorgesehen. Programmverträge werden zur Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung beraten. Der Rundfunkrat muss über Programmvorhaben immer dann entscheiden, wenn die finanzielle Verpflichtung des Senders oder seiner Tochtergesellschaften zwei Millionen Euro übersteigt.
8. Ausblick
Die nächste Sitzung des WDR-Rundfunkrats findet am 27. September 2023 statt, voraussichtlich im Wallraf-Richartz-Museum in Köln.