"Formel Eins": Eine Musikshow mit Kultstatus

Von Philip Stegers

Es war der Urknall des Musikfernsehens in Deutschland: Dank "Formel Eins" konnten ab 1983 Millionen Musikfans die aktuellen Videoclips ihrer Stars im TV sehen. Die Gesichter der Sendung waren Peter Illmann, Ingolf Lück, Stefanie Tücking und Kai Böcking. Letzterer übernahm die "Formel Eins" 1988 und feiert am 3. August 2024 seinen 60. Geburtstag.

Peter Illmann begrüßt ab 1983 die Fernsehzuschauer zur deutschen Antwort auf den amerikanischen Musiksender MTV. Bis zu diesem Zeitpunkt haben Popstars und ihre Fans hierzulande ein großes Problem: Es gibt zwar jede Menge Musikvideos, aber keine Sendung, in der man sie sich anschauen kann.

Für die echten Fans heißt es daher jede Woche: Videorecorder anschmeißen! In jeder Folge werden ein Dutzend Musikvideos vorgestellt. Aus Zeitgründen werden die Clips allerdings gekürzt, lediglich das "Video der Woche" können die Zuschauer in voller Länge genießen.

"Formel Eins" ist in den 80er Jahren ein Pflichttermin für alle Teenies und Hitparaden-Liebhaber. Oft treten zusätzlich auch noch Stars wie Falco live auf oder geben Interviews.

Aufgezeichnet wird die Sendung auf dem Bavaria-Filmgelände bei München. Die Studiokulisse ist eine Mischung aus Designerdisco und Autowerkstatt mit angeschlossenem Schrottplatz. Nenas Keyboarder Uwe Fahrenkrog-Petersen überzeugt modisch durch den dazu passenden Monteurs-Overall.

Sie moderieren von 1983 bis 1990 die insgesamt 307 Folgen von "Formel Eins" – Ingolf Lück, Stefanie Tücking, Peter Illmann und Kai Böcking (v.l.n.r.).

Der pinke Studebaker Starlight ist eines der Markenzeichen von "Formel Eins". Und mit "Teasy", einem weißen Hund mit grüner Sonnenbrille, hat die Sendung ab 1986 auch ihr eigenes Maskottchen.

Eine Zeitlang gibt es für die Nr. 1-Hit Interpreten in jeder Sendung einen besonderen Preis – ein Bauteil einer alten BMW Isetta, auch bekannt als "Knutschkugel". Frankie Goes To Hollywood können ihr Glück kaum fassen, angesichts dieses formschönen und praktischen Seitenfensters.

Auch die damals noch ziemlich unbekannte Madonna tritt bei "Formel Eins" auf. Ihr Video zu "Like A Prayer" darf ein paar Jahre später in der Sendung nicht gezeigt werden – wegen angeblicher Gotteslästerung.

Kurz nach diesem Foto wollen Modern Talking das Interview abbrechen, weil Ingolf Lück die Band veräppelt. Peter Illmann erinnert sich: "Dieter Bohlen hat immer sehr darunter gelitten, wenn man ihn nicht als großen Künstler angesehen hat. Irgendwann hielt er mir mal seine Rolex unter die Nase und meinte: 'Kuck mal, die kann ich mir leisten. Du nicht!'"

Auch die Toten Hosen sorgen für Ärger. Bei der Präsentation ihres Sauf-Hits "Eisgekühlter Bommerlunder" hat die Punkband offensichtlich schon einige davon intus und verwüstet anschließend standesgemäß die Studio-Kantine.

1985 kommt der unvermeidliche "Formel Eins-Film" in Kino. Die junge Automechanikerin Tina träumt von einer Karriere als Popstar und will ihr Demo-Tape bei "Formel Eins" unterbringen. Doch der sehschwache Ingolf Lück zerstört Tinas Kassette aus Versehen in einem Toaster. Am Ende geht die trashige Komödie natürlich gut aus, auch dank der schauspielerischen Mithilfe von Meat Loaf, Falco und Rolf Zacher.

Teenie-Schwärme kurz vor dem weltweiten Durchbruch: A-ha machen sich locker, bevor sie bei Formel Eins mit ihrer Hymne "Take On Me" auftreten.

Dank "Formel Eins" schaffen es auch viele deutsche Künstler in die Hitparade. Hier stellen Alphaville gerade ihr "Forever Young" vor. Neben knalligen Overalls dominieren modisch in jenen Tagen auch sackartig geschnittene Cargojacken.

Anlässlich der 200. Folge von "Formel Eins" spendiert Postminister Christian Schwarz-Schilling 1988 einen Satz Sonderbriefmarken. Zwei Jahre später ist Schluss, auch weil die Sendung im Fernsehen inzwischen nicht mehr konkurrenzlos ist.

Stand: 29.07.2024, 13:30 Uhr