Soldaten der Ukrainer auf Panzer

Waffenlieferungen an die Ukraine: Was passiert, wenn die USA aussteigen? 

Stand: 05.10.2023, 16:33 Uhr

Die Ukraine ist im Krieg auf internationale Waffenlieferungen angewiesen. Doch mit den USA könnte jetzt der wichtigste Unterstützer wegfallen. Die wichtigsten Fragen und Antworten. 

Von Moritz Börner

Welche Länder liefern Waffen und bei welchen stehen die Lieferungen in Frage? 

Mit Abstand die meisten Waffenlieferungen für die Ukraine kommen aus den USA. Die hat seit Beginn des Krieges bis Anfang August für über 40 Milliarden Euro Kriegsgerät und Munition geliefert, unter anderem Panzer, Raketen und Artilleriegeschosse. Zweitwichtigster Lieferant ist Deutschland, mit Waffenlieferungen im Wert von knapp 20 Milliarden Euro, darunter zum Beispiel Flugabwehrsysteme oder Kampfpanzer. Weitere wichtige Waffenlieferanten sind Großbritannien, Polen, Dänemark, Norwegen und die Niederlande. 

Nach dem jüngsten Haushaltsstreit im US-Kongress ist jetzt aber unklar, ob mit den USA ausgerechnet der größte Waffenlieferant seine Unterstützung einstellt. Eine relativ kleine Gruppe von republikanischen Abgeordneten hat weitere Hilfen für die Ukraine zumindest vorerst blockiert. Auch die Slowakei könnte ihre Unterstützung zurückfahren. Die hat nicht nur Waffen und Munition geliefert, sondern ist auch Standort für die Wartung von Panzern, die in der Ukraine zum Einsatz kommen. 

Der Sieger der slowakischen Wahlen vom vergangenen Wochenende, Robert Fico, will aber die Zusammenarbeit beenden. Daneben hatte auch Polens Ministerpräsident im September von einem Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine gesprochen, mit der Begründung, Polen brauche die Waffen selber. 

Wie wichtig sind die US-Waffenlieferungen für die Ukraine? 

Sehr wichtig. Die USA haben im Gegensatz zu den europäischen Staaten sehr moderne Waffensysteme und einen großen Vorrat an Munition. Im Kriegsalltag brauchen die ukrainischen Truppen vor allem Artilleriemunition, und die können nur die USA in der benötigten Stückzahl liefern. 

Kurzfristig wäre es anderswo nicht möglich, die Produktionskapazitäten so zu erhöhen, dass die Ukraine mit ausreichend Munition beliefert werden kann. Und auch die Rüstungsproduktion in der Ukraine selber reicht nicht aus, auch wenn dort zahlreiche Fabriken zur Herstellung von Munition und Kriegsgerät entstehen. 

Was würde ein Ende der US- amerikanischen Waffenlieferungen für den Krieg bedeuten? 

Für die Ukraine wäre das eine Katastrophe, sagen Friedens- und Konfliktforscher. Im Moment verzeichnen die ukrainischen Kräfte leichte Geländegewinne, schaffen es unter großen eigenen Verlusten, russisch besetzte Gebiete zurück zu erobern. Das geht aber nur, weil es ausreichend Nachschub gibt. 

"Die Ukraine ist darauf angewiesen, dass es einen nahtlosen Fluss an Artilleriemunition gibt." Ulrich Kühn, Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik

Ulrich Kühn, Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik

Das gehe nur durch Lieferungen aus den USA so Kühn. Sollte es keinen Nachschub mehr geben, könnte die Ukraine wieder in die Defensive gelangen. 

Würde sich die Rolle Deutschlands verändern, wenn die USA keine Waffen mehr liefern? 

Deutschland ist zwar bisher der zweitwichtigste Waffenlieferant. Aber die Bundesrepublik hat keine Möglichkeiten, die US-Waffenlieferungen zu kompensieren. Die Munitionsdepots sind leer, insgesamt gibt es hierzulande im Vergleich zu den USA wenig Kriegsgerät. Deutsche Unternehmen wie der Düsseldorfer Rüstungskonzern Rheinmetall fahren zwar unter Hochdruck ihre Produktion hoch, aber das dauert. 

Dazu kommt, dass die USA bei der Organisation und Koordination der Lieferungen bisher federführend sind. "Deutschland kann diese Rolle nicht einnehmen", sagt Matthias Dembinski vom Frankfurter Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung. Auch die Taurus - Raketen aus deutscher Produktion, die Bundeskanzler Olaf Scholz bisher nicht an die Ukraine abgeben will, wären nicht kriegsentscheidend, sagen Rüstungsexperten.