Die amerikanische Botschafterin in Italien macht unfreiwillig Werbung für den Film: Als Richard Brooks "Blackboard Jungle" bei der Biennale in Venedig antreten will, legt sie Protest ein. Der Film schade dem Ansehen Amerikas. Der Film wird auf dem Festival nicht gezeigt. Jetzt ist ganz Europa gespannt auf ihn. Als er am 28. Oktober 1955 unter dem Titel "Saat der Gewalt" in den deutschen Kinos anläuft, wird er zum Kassenschlager - und zum Skandal.
Zum Schlager wird auch die Filmmusik: Brooks hat eine erfolglose Single von Bill Haley ausgegraben: "Rock around the clock". Durch den Film wird der Ladenhüter zum Hit und zur Erkennungsmelodie für eine revoltierende Jugend. Die Filmhandlung ist schockierend genug: Sie zeigt Jugendliche, die ihre Lehrer verprügeln und ihre Lehrerin vergewaltigen. Sie zeigt auch einen Lehrer, der seine Schüler foltert. Der Film nach einem Roman von Evan Hunter will vor gesellschaftlicher Gewalt warnen, aber in Deutschland wird er auch zum Anlass für Gewalt: Jugendliche randalieren vor überfüllten Kinos. Die Wochenschau zeigt zertrümmerte Kinosäle, umgestürzte Autos, Straßenschlachten mit der Polizei. Und sie kennt auch gleich die Ursache: den Rock'n Roll. Das sei "der Veitstanz des 20. Jahrhunderts, für den es keine Medizin gibt, sondern nur noch den Wunsch auf baldige Genesung", heißt es im Kommentar der Kino-Nachrichten.
In den folgenden Jahren muss die Polizei über 100 mal gegen randalierende "Halbstarke" einschreiten. Als Bill Haley 1958 nach Deutschland kommt, gibt es Schlägereien nach seinen Konzerten. Die einfache Diagnose, die Musik sei schuld, scheint bestätigt. Dabei weiß es schon der Skandal-Film selbst besser: Er sieht die "Saat der Gewalt" in der Sprachlosigkeit zwischen den Jugendlichen und einer Elterngeneration, die durch den Krieg geprägt ist und meist ihre eigene Jugend verloren hatte. Das dämmert in Deutschland erst zehn Jahre später.
Stand: 28.10.05