Die Norweger sind gutmütig und unverdorben. Davon ist Johann Christian Fabricius überzeugt. "Tugend, Zufriedenheit und stille Munterkeit herrschen unter ihren Dächern", schreibt der Kieler Gelehrte 1779. "Gesundheit und Stärke sind ihr beständiges Erbteil".
Im Kalmarer Reich leben die Norweger in stiller Eintracht mit den Dänen. Warum ist 35 Jahre später alles anders? Warum löst sich Norwegen ab und ruft 1814 eine eigene Verfassung aus? Die deutschen Intellektuellen sind fassungslos. "Ihr Ursprung sieht einem Wunder ähnlich", urteilt etwa der Vormärzschriftsteller Ludolf Wienbarg über die Verfassung, "und erregt ganz die Gefühle des Überraschens und Erstaunens".
Warum aufbegehren?
Eigenständig ist Norwegen bis ins 19. Jahrhundert hinein eigentlich nie. Der Begriff ist eine geografische Bezeichnung, die Region steht unter einer Art dänischer Statthalterschaft. Die Verwaltung, die Amtsprache, das Bildungssystem und die Sozialversorgung sind dänisch. Für die rund 600.000 zumeist bäuerlichen Norweger gibt es zum Aufbegehren eigentlich keinen Grund. Im Unterschied zum großen Rest Europas herrscht bei ihnen keine Leibeigenschaft.
Doch dann kommt Napoleon. 1807 lässt sich der dänische König Frederik IV. zu einem Bündnis mit dem Korsen hinreißen, während sich Schweden auf die Seite der antinapoleonischen Mächte schlägt. Als Dänemark sieben Jahre später einen Krieg gegen Schweden verliert, will sich dieses Norwegen einverleiben. Nun begehren die Norweger auf.
Norwegen wird Königreich
Unterstützung bekommen die Norweger ausgerechnet vom königlich dänischen Statthalter Christian Frederik. Er sorgt dafür, dass sich die führenden Köpfe zusammentun. Schließlich treffen sich 112 Delegierte in einem kleinen Kaff namens Eidsvoll in der Nähe von Oslo. Am 17. Mai 1814 unterzeichnet Christian Frederik die in Windeseile ausgearbeitete Verfassung und lässt sich zum König von Norwegen ausrufen.
Mit ihrer konsequenten Gewaltenteilung und ihrer Presse- und Meinungsfreiheit übertrifft die "Verfassung von Eidsvoll" sogar die der Franzosen an Liberalität. Aber sie hat nur kurz Bestand. Denn die Schweden schicken Truppen. Nach drei Wochen wird ein Waffenstillstand ausgerufen. In der "Konvention von Moss" verliert Norwegen seine Eigenständigkeit zugunsten einer Personalunion, in der das Land in vielen Punkten aber als souveräner Staat behandelt wird. Dazu gehört auch eine eigene Volksvertretung. Erst 1905 erlangt Norwegen vollständige Souveränität.
Stand: 17.05.2014
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 17. Mai 2014 ebenfalls an die erste Verfassung Norwegens. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.