Tana Schanzara gehört zum Bochumer Schauspielhaus wie der Dom zu Köln. Nur einmal lässt sie sich von Regisseur Claus Peymann ans Wiener Burgtheater locken. Bei seiner Inszenierung von Peter Turrinis "Tod und Teufel" hat der Regisseur Nöte: Die Rolle einer versoffenen Ladendiebin, die einen Priester verführt, haben zuvor alle Schauspielerinnen des Ensembles abgelehnt. Nun kann Schanzara beweisen, dass sie mehr ist als die herzensgute "Duse des Reviers": Eine Kritikerjury wählt sie anschließend zur Schauspielerin des Jahres 1990.
Auch durch Regiehilfe zeigt Schanzara Phantasie. "Im Buch stand: Aus ihrem Schoß wächst eine riesige Vagina", wird sich Schanzara später erinnern – und an Peymanns Probleme mit der Umsetzung für die Bühne. "Und ich habe gesagt: Vielleicht könnte man so’n Schlauchboot nehmen und ich pump das dann immer auf."
"Sie kann eigentlich alles"
Geboren wird Schanzara 1925 in Kiel. Ihre Eltern sind Opernsänger, die sich bei einem Engagement in Münster ineinander verliebt haben. Als Schanzara zwei Jahre alt ist, übersiedelt die Familie nach Dortmund. 1931 steht sie mit dem Kinderballett des dortigen Theaters als Mehlsack und Elfe erstmals auf der Bühne. Nach dem Abitur nimmt Schanzara Schauspielunterricht, wobei ihre ungeheuerliche Bühnenpräsenz schnell auffällt. 1947 kommt sie als "bezauberndes Fräulein" an die Bonner Kammerspiele. Engagements in Mannheim und Oldenburg folgen.
Nach Bühnenauftritten mit Jürgen von Manger gastiert Schanzara 1954 erstmals am Bochumer Schauspielhaus. Zwei Jahre später gehört sie bereits zu Hans Schallas festem Ensemble – und avanciert schnell zum Publikumsliebling. 52 Jahre lang zählt sie fortan zum Besetzungsstamm. Die Intendanten gehen – Schanzara bleibt. "Tana ist eine Schauspielerin, die jeden Tschechow spielen kann und jeden Shakespeare", wird Regisseur Uwe Jens Jensen sagen. "Sie kann sehr zart sein, sie kann sehr direkt sein, sie kann sehr grob sein. Sie kann eigentlich alles."
Mit dem Rolltor auf die Bühne
Von Bertolt Brecht bis Helge Schneider spielt Schanzara alles auf gleichbleibend hohem Niveau. Und sie entwickelt sich zum guten Geist des Hauses, die munter mit den Kollegen mitzecht und während der Proben für deren Wohl sorgt. Darüber hinaus ist sie mit Liederabenden wie "Solo für Tana" (1985) und "Tana in New York" (1990) zu sehen, die Uwe Jens Jensen ihr auf den Leib schreibt. Als es ihr immer schwerer fällt zu laufen, tritt sie mit Rollator auf oder lässt sich einfach auf einem Sofa sitzend auf die Bühne tragen.
Nur hin und wieder ist Schanzara der Bochumer Bühne untreu. Mit dem Gassenhauer "Vatter, aufstehen!" wird sie 1970 in ganz Deutschland als Ruhrpott-Ikone bekannt. In der Filmklamotte "Willi und die Windzors" (1997) sowie in der WDR-Serie "Gisbert" (1999) spielt sie an der Seite Hape Kerkelings. In ihrer spielfreien Zeit lebt sie mit ihren Hunden und Katzen auf einem Kotten in Herne. Tana Schanzara stirbt am 19. Dezember 2008 – ihrem 83. Geburtstag – in einem Bochumer Krankenhaus.
Stand: 19.12.2013
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