Unbekannter Maler: Rhinozeros Clara in Venedig (1751)

Stichtag

14. April 1758 – Rhinozeros Clara stirbt in London

Den Menschen im Europa des 18. Jahrhunderts sind Nashörner unbekannt. Nur wenige Exemplare sind bisher auf den Kontinent gekommen, und alle starben schnell. In gelehrten Kreisen kursieren lediglich Kupferstiche, die auf Schilderungen von Augenzeugen basieren. Darunter ist auch eine Abbildung des berühmten Künstlers Albrecht Dürer von 1515. Dürer hätte fast ein Nashorn gesehen. Aber kurz, bevor er es porträtieren konnte, ging es auf einer Schiffsreise unter. So zeigt auch sein "Rhinocerus" ein Phantasieprodukt.

Umso begieriger sind die Menschen darauf, einen Blick in jene Kiste zu werfen, die auf einem von acht Pferden gezogenen Wagen aus Metall und Holz durch die Lande fährt. Darin befindet sich Clara, ein drei Tonnen schweres Wunder der Schöpfung.

Unerschwinglich selbst für Könige

Clara wird 1738 in Bengalen geboren. Nachdem ihre Mutter von Wilderern getötet worden ist, kommt sie in das Haus von Jan Albert Sichterman, Direktor der Niederländischen Ostindien-Kompanie. Hier darf sie im Wohnzimmer toben und sich an Bier und Orangen laben.

Als Clara für derlei Zeitvertreib zu groß wird, verkauft Sichterman sein Panzernashorn an den niederländischen Kapitän Douwe Mout van der Meer, der es per Schiff nach Rotterdam transportiert. Publikumswirksam und mit viel Sinn für Marketing bereitet er Clara auf die große Tour durch Europa vor. Bevor er eine Stadt ansteuert, lässt er dort Flugblätter verteilen. So ist die zahlende Bevölkerung auf die Sensation vorbereitet.

Tatsächlich wird Clara in Europa weltberühmt. Sie ist zu Gast in Scheunen und auf Schlössern. Ludwig XV. will sie für seinen Privatzoo erstehen, aber ihr Besitzer verlangt die horrende Summe von 100.000 Écu: das Dreifache dessen, was dem französischen König jährlich als Budget zur Verfügung steht. So kommt es, dass Clara weiter durch Europa reisen kann.

Haare "à la rhinocéros"

In der Alten Welt verändert die Nashornkuh die Mode und die Kunst. Frauen lassen sich einen hornähnlichen Zopf "à la rhinocéros" frisieren, die Porzellanmanufaktur in Meißen fertigt Porzellanplastiken von Clara an. Die berühmtesten Maler der Zeit porträtieren das Tier, so auch der französische Hofmaler Jean-Baptiste Oudry, dessen Gemälde "Das Nashorn Clara in Paris" (1749) das Tier in seinen Originalmaßen festhält: rund 3,50 Meter hoch und fast fünf Meter lang ist die Leinwand.

Zwanzig Jahre wird Clara alt, dann stirbt sie am 14. April 1758 in London. Was mit ihren sterblichen Überresten passiert, ist heute unklar. In englischen Museen lagern mehrere Rhinozerosskelette, die für sie in Frage kommen. Welches das richtige ist, liegt im Dunkeln.

Stand: 14.04.2013

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