"1967 war ich auf Amphetamin", erinnert sich Country-Sänger Johnny Cash. "Ich war total durchgedreht, stieg in den meinen Jeep und fuhr raus nach Chattanooga zu einer gigantischen Höhle mit kilometerlangen Gängen." Dort klettert er mit seinen Pillen hinein. Nach drei Stunden bittet er Gott, ihn sterben zu lassen. Cash ist 35 Jahre alt, als er in der Nickajack-Höhle im US-Bundesstaat Tennessee auf den Tod wartet. Zwei Dutzend Alben hat er produziert in den zehn letzten Jahren, zwei Dutzend Singles haben die Top-Ten erreicht. Aber sein Bariton ist so kaputt wie sein Schlafrhythmus und seine Ehe mit Vivian Liberto. Dann schleppt sich Cash doch aus der Höhle.
Zurück zu Hause in der Nähe von Nashville macht er einen sogenannten Kalten Entzug, bei dem die Droge abrupt abgesetzt wird. An seiner Seite die Frau, die er seit Jahren liebt: June Carter. "Wahrscheinlich bin ich ihretwegen noch am Leben", sagt Cash. Im Frühjahr 1968 heiraten die beiden. Das Selbstzerstörerische begleitet Cash weiter. Er macht Musik aus Bitternis. Er bedient sich bei Blues und Gospel, will keinen typischen Country spielen: "Ich lasse mir von niemandem einreden, es sei falsch über Tod und Teufel und Drogen zu singen."
Bruder stirbt in Kreissäge
Cash, der am 26. Februar 1932 in Kingsland im US-Bundesstaat Arkansas als Sohn einer gläubigen Frau und eines armen Baumwollfarmers geboren wurde, ist durch ein Erlebnis besonders geprägt. Als er 12 Jahre alt ist, stirbt sein Beschützer: 1944 gerät sein zwei Jahre älterer Bruder Jack in eine Kreissäge: "Ihn zu verlieren, das war, wie ein Teil von mir selbst zu verlieren. Ich weiß nicht, ob ich das jemals überwunden habe."
Musik spielt schon damals eine wichtige Rolle in Cashs Leben: "Mit vier Jahren sagte ich meiner Mutter: 'Eines Tages singe ich im Radio.' Und sie hat mich darin immer bestärkt", sagt Cash, der seit seinem zehnten Lebensjahr Gitarre spielt. 1956 hat er, nach vier Jahren als Funker bei einer Abhöreinheit der Luftwaffe, mit "I walk the Line" seinen ersten Hit. Damit beginnt seine steile Karriere als Sänger. Bald hat er auch als Filmschauspieler in Gastrollen Erfolg. Er erhält 1969 eine eigene Fernsehshow, in der er Talente sucht. Darin präsentiert er auch bekannte Künstler wie Bob Dylan, Stevie Wonder, Ray Charles, Neil Young und Neil Diamond.
Zwei Dutzend Grammys
1980 wird Cash als jüngster Künstler in die "Country Music Hall of Fame" aufgenommen. Während seiner Karriere veröffentlicht er mehr als 100 Alben und erhält zwei Dutzend Grammys. Doch Cash geht es nicht gut. Mit 51 Jahren muss er erneut einen Tabletten-Entzug machen. Nach einem Jahrzehnt, in dem sich seine Platten immer schlechter verkaufen, kommt 1993 der junge Musikproduzent Rick Rubin auf Cash zu. Sechs erfolgreiche Alben entstehen. Darauf ist auch "Hurt", ein Lied von Michael Trent Reznor über einen Mann, der sich nur im Schmerz lebendig fühlt. Das Video dazu zeigt Cash in den fünf Jahrzehnten seiner Karriere.
1997 wird bei Cash eine unheilbare Krankheit diagnostiziert: autonome Neuropathie. Dabei sterben langsam die Nervenenden ab. "Ich werde bald sterben", sagt der 71-Jährige kurz vor seinem Tod am 12. September 2003 in Nashville. "Ich war nie ärgerlich auf Gott." Er habe sich nie von ihm abgewandt. "Alles Gute in meinen Leben kommt von ihm." Dazu hat Cash auch seine Frau June gezählt, die nur wenige Monate vor ihm nach einer Herzoperation gestorben ist.
Stand: 26.02.2012
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