Auf den Mund gefallen ist Beat-Club-Moderatorin Uschi Nerke bestimmt nicht. Doch um die Interpreten des Hits "Hideaway" unfallfrei über die Lippen zu bringen, hat sie reichlich üben müssen: Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick & Tich heißen die Hitparaden-Stürmer aus England. "Für diesen Namen könnte ich sie heute noch verkloppen", gesteht die taffe Uschi viele Jahre später.
Zwischen 1966 und 1969 gehören "die Unaussprechlichen", wie das Teenie-Blatt "Bravo" die Band tauft, zu den erfolgreichsten Popgruppen in Europa. Mit melodisch eingängigen Songs besetzen die modisch-adrett gekleideten Musiker 140 Wochen lang die britischen Charts; in der deutschen Hitparade sind sie sogar 156 Wochen lang vertreten.
Als Polizist zu sensibel
Dave Dee, Kopf und Sänger der Band, wird am 17. Dezember 1941 als David Harman in Salisbury geboren. Er beginnt eine Laufbahn im Polizeidienst und erinnert sich später mit Grausen an seinen schlimmsten Einsatz: Im April 1960 rast ein Taxi nachts in der Nähe von London gegen eine Laterne. Harman ist als Erster zur Stelle und erkennt unter den Verletzten die Rock'n'Roll-Stars Eddie Cochran und Gene Vincent. Cochran stirbt noch in derselben Nacht. Kurz darauf quittiert Harman den Dienst in Uniform. "Ich war einfach zu sensibel, um einen guten Polizisten abzugeben."
Zusammen mit vier Freunden, allesamt wie er aus der Grafschaft Wiltshire, gründet Harman 1961 die Beat-Band "Dave Dee and the Bostons". Weil in London der Erfolg ausbleibt, verdient die Gruppe wie die frühen Beatles ihr Geld zunächst in Musikclubs in Hamburg. 1964 wird sie vom Komponisten-Duo Ken Howard/Alan Blaikley entdeckt. Die versierten Pop-Manager verpassen Harman und den "Bostons" ihre Spitznamen als neuen Bandnamen und schreiben fortan seichte Hits in Serie für ihre Schützlinge.
"Karaka, koraka, karakak"
Aufgepeppt mit bunten Klamotten präsentieren Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick & Tich nun unbeschwerten, fröhlichen Liverpool-Beat ohne politischen Anspruch. "Als die Flower-Power-Zeit anfing, machten alle plötzlich bedeutungsschwere Texte", erinnert sich Dave Harman. "Wir dagegen erfanden die Worte für den Song und die Leute mochten es trotzdem." Mit pseudoexotisch arrangierten Titeln wie "Hold tight", "Bend it" oder "Zabadak" und absolut sinnfreien Texten ("karaka, koraka, karakak, shy, shy skagalak") landen Dave Dee & Co. einen Supererfolg nach dem anderen; zeitweise verkaufen sie mehr Platten als die Beatles und die Rolling Stones.
"The Legend of Xanadu" beschert Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick & Tich 1968 den größten und letzten Smash-Hit ihrer Karriere. Die Ballade mit Zorro-Atmosphäre und Peitschenknallen steht allein in Großbritannien zwölf Wochen lang auf Platz eins. Danach verlässt Dave Harman die Band und präsentiert einige Monate lang als Co-Moderator von Uschi Nerke den Beat-Club. Große Erfolge als Solo-Künstler und Produzent bleiben ihm versagt. Ende der 80er tritt er wieder mit seiner alten Truppe auf und begeistert bei Oldie-Shows alte und neue Fans. Zu einer 2008 angekündigten Europa-Tournee mit brandneuen Songs kommt es aber nicht mehr. Am 9. Januar 2009 stirbt Dave "Dee" Harman in London an Prostatakrebs.
Stand: 17.12.2011
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