Mitropa-Speisewagen

Stichtag

24. November 1916 – Gründung der "Mitropa"

Lange Zeit müssen Zugreisende zwischen ihren Start- und Zielbahnhöfen darben. So legt zum Beispiel 1860 ein Schnellzug in Stuttgart für 20 Minuten eine Pause ein, damit sich die hungrigen Insassen mit Roastbeef und Bohnen, Hühnchen mit Salat oder Torte den Bauch vollschlagen können. Ab 1874 kann dann während der Reise Essen bestellt werden, das Kellner beim nächsten Zwischenstopp in den Zug bringen: Der Geruch allerdings wird von manchem Reisenden als Belästigung empfunden.

Eine Lösung des ernährungstechnischen Dilemmas bietet erst die belgisch-französische Compagnie Internationale des Wagons-Lits (CIWL), die 1880 zwischen Berlin und Bebra mit einem Restaurant-Abteil experimentiert. Drei Jahre später gehört er zum festen Bestandteil des Orient-Express, weitere Luxuszüge folgen.

Rehsteaks in Wachholdertunke

Um der CIWL Konkurrenz zu machen, gründen die Bahnverwaltungen von Deutschland, Österreich und Ungarn am 24. November 1916 die "Mitteleuropäische Schlafwagen- und Speisewagen Aktiengesellschaft" (Mitropa), die fortan unter anderem im Vorzeigezug "Rheingoldexpress" von behandschuhten Kellnern auf dem Kohleherd zubereitete Rehsteaks in Wachholdertunke an Morcheln servieren lässt.

Die Mitropa übersteht zwei Weltkriege und übernimmt nach 1945 in den Zügen der DDR das Speisewagen-Regiment, bald aber auch das Restaurantangebot auf Autobahnraststätten oder Flughäfen und in Hotels. Im Westen wird die Deutsche Schlaf-und Speisewagen GmbH (DSG) aktiv, die ab 1954 mit der Ost-Mitropa eine Kooperation über den "Interzonenverkehr" unterhält. Nach der Wiedervereinigung werden beide Anbieter wegen des höheren Bekanntheitsgrades der Marke als Mitropa wieder zusammengeführt.

Die Deutschen wollen Speisewagen

Bahn-Chef Hartmut Mehdorn ist es schließlich, der als rigider Sparer der "Mitropa" ein Ende bereitet: 2004 wird sie an einen Londoner Konzern verkauft und verschwindet in der Versenkung. Zunächst will Mehdorn den Speisewagen gänzlich von der Schiene nehmen, lenkt aber nach massiven Protesten von Kundinnen und Kunden ein. Allerdings übernimmt die Bahn nun selbst den Betrieb.

Heute rollen noch rund 250 Bord-Restaurants und etwa 400 Bord-Bistros zwischen deutschen Bahnhöfen hin und her. Um die Ess-Kultur der Trink- und Speisewagen aufzupeppen, gehören neben Klassikern wie Folienkartoffel, Nürnberger Rostbratwürstchen oder Chili con Carne inzwischen auch Gerichte renommierter Spitzenköche zum Programm.

Stand: 24.11.2011

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