Hand hält eine Daten-CD

Stichtag

10.November 1976 - Der Bundesrat verabschiedet das Datenschutzgesetz

Wer hat’s erfunden? Die Hessen! Im Oktober 1970 verabschiedet der Landtag in Wiesbaden das erste Datenschutzgesetz der Welt. Der PC ist noch unbekannt und das Internet eine ferne Utopie. Teure Groß-Computer stehen nur in Behörden, Unis oder Großkonzernen. Hessens Pionier-Gesetz, das erstmals die elektronische Verarbeitung persönlicher Daten vor Missbrauch schützt, wird zur Blaupause des nationalen und internationalen Datenschutzrechts.

Sechs Jahre vergehen, bis auch auf Bundesebene Einigkeit über den Schutzbedarf der Privatsphäre im beginnenden digitalen Zeitalter besteht. Sechs Jahre, in denen vor allem die elektronische Datensammelwut des Bundeskriminalamtes im Rahmen der Terroristenfahndung Ängste vor dem allwissenden und nie vergessenden Überwachungsstaat schürt. Am 10. November 1976 endlich kann das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) einstimmig vom Bundesrat verabschiedet werden.

Karlsruhe stoppt Volkszählung

Im Vorfeld der für April 1983 angekündigten großen Volkszählung kommt das BDSG erstmals auf den Prüfstand. 32 Fragen zu persönlichen Lebensumständen sollen die Bundesbürger zwangsweise beantworten. Massiv wie nie zuvor organisiert sich quer durch die Bevölkerung Widerstand gegen die Neugier von "Big Brother" Staat. Beim Bundesverfassungsgericht gehen mehr als 1.200 Beschwerden ein. Mit ihrem Urteil stärken die Karlsruher Richter den Zensus-Boykotteuren den Rücken: Die Verfassungswächter sehen die "informationelle Selbstbestimmung" der Bürger verletzt und erklären deshalb die Volkszählung in Teilen für verfassungswidrig.

Der Senat unter Vorsitz von Bundesverfassungsgerichtspräsident Ernst Benda unterstreicht mit seinem Spruch die Bedeutung des Datenschutzes für die Eckpfeiler der Demokratie - Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit. In der Urteilsbegründung heißt es: "Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen. Wer damit rechnet, dass etwa die Teilnahme an einer Versammlung oder einer Bürgerinitiative behördlich registriert wird und dass ihm dadurch Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf eine Ausübung seiner entsprechenden Grundrechte (Art. 8, 9 GG) verzichten."

Sammelwut der Online-Dienste

Mit der Formel vom Recht auf informationelle Selbstbestimmung befördert das Karlsruher Gericht den Datenschutz in den Rang eines verfassungsmäßig garantierten Grundrechts. Fachleute wie Winfried Hassemer, ehemals Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, bewerten deshalb das Volkszählungsurteil vom Dezember 1983 als die eigentliche Vollendung des Datenschutzgesetzes von 1976. Die Wiedereinführung der Rasterfahndung nach dem 11. September 2001 hat das BDSG aber ebenso wenig verhindern können wie den biometrischen Reisepass, den Datenschützer schlicht als "Datenschutz-Desaster" bezeichnen.

Zum Schutz von Internet-Nutzern fordern die Experten vom Chaos Computer Club (CCC) dringende Nachbesserungen am Gesetz. Um die ungehemmte Sammelwut von Daten-Kraken wie Microsoft, Google, Facebook oder Payback-Systemen zu bremsen, fordert der CCC, den Grundsatz "Privatsphäre als Standard" gesetzlich zu verankern. Alle Grundeinstellungen von Online-Diensten müssten dann von vornherein den bestmöglichen Datenschutz bieten. Abweichungen zu seinen Ungunsten müsste der User dann ausdrücklich zustimmen.

Stand: 10.11.2011

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