Stichtag

03. Juli 2010 - Vor 75 Jahren: André Gustave Citroën stirbt in Paris

Von Werbung versteht er etwas: Von 1925 bis 1934 strahlt der Name des französischen Autofabrikanten André Gustave Citroën in haushohen Leucht-Buchstaben vom Eiffelturm in Paris. Er lässt sich mit Prominenten wie dem Schauspieler Charlie Chaplin und dem Flugpionier Charles Lindbergh in seiner Fabrik fotografieren. Dem äthiopischen Kaiser Haile Selassie bereitet er einen großen Empfang. Seine Halbketten-Fahrzeuge machen die Marke Citroën mit Expeditionen durch Asiens und Afrikas Wüsten bekannt. Auch mit Spielzeugautos betreibt er Kundenbindung: Das dritte Wort, das Kinder in Frankreich nach "Mama" und "Papa" lernen, soll nach seiner Vorstellung "Citroën" lauten. Ende der 1920er Jahre ist Citroën dann tatsächlich Marktführer in Frankreich. Er lässt Werke in ganz Europa errichten, führt Ersatzteilkataloge und Austauschmotoren ein.

Geboren wird Citroën am 5. Februar 1878 in Paris - als fünftes Kind eines aus den Niederlanden stammenden jüdischen Ehepaares; sein Vater ist Diamantenhändler. Der Familienname bedeutet Zitrone und verweist auf einen Vorfahren, der von Amsterdam aus mit Limonen aus der niederländischen Kolonie Guayana handelte. 1889 bekommt der elfjährige André in seine Heimatstadt zum ersten Mal ein Automobil zu Gesicht. Die Technik dieser Fahrzeuge fasziniert ihn. 13 Jahre später eröffnet Citroën eine Getriebe-Werkstatt. Er entdeckt, dass Zahnräder mit sogenannter Winkelzahnung besser greifen und eine größere Kraft übertragen als herkömmliche Zahnräder. Das Emblem der Winkelzahnung - der Doppelpfeil - wird sein Firmenlogo. Citroën investiert sein gesamtes Geld - Gewinne aus der Granatenherstellung in seiner Fabrik während des Ersten Weltkrieges, aus Börsenspekulationen und Pferdewetten - in sein erstes Automobil: den 18 PS starken "Typ A", der am 4. April 1919 der Öffentlichkeit vorgestellt wird. Das Modell wird ein Erfolg: halb so teuer wie die Autos der Konkurrenz und mit modernster Technik. Elektrische Lampe, Stahlräder, Lenkrad links und Schalthebel innen wirken in Zeiten von Karbidleuchten, Handkurbel, Holzspeichen und Außenschaltung wie Science Fiction.

"Das Auto bin ich", sagt Citroën einmal in den 1920er Jahren. Der Patron kümmert sich aber auch um seine Belegschaft. Schon 1916 bietet die Firma ihren damals 3.500 Mitarbeitern Kantine, Kinderbetreuung, medizinische Versorgung und Weiterbildung. Citroën bastelt immer weiter an seinem Erfolg. Mit dem "Traction Avant" konstruiert er den ersten serienmäßig produzierten Wagen mit Frontantrieb. Das Modell wird später als Gangster-Auto bekannt, während des Zweiten Weltkrieges sowohl von Nazis als auch von Mitgliedern der Résistance genutzt und dient in den 1950er Jahren dem französischen Präsidenten Charles de Gaulle als Staatskarosse. Doch das erlebt Citroën nicht mehr: Weil er die Weltwirtschaftskrise unterschätzt, geht er im Dezember 1934 pleite. Ein halbes Jahr später - am 3. Juli 1935 - stirbt er im Alter von 57 Jahren in Paris an Magenkrebs. Seine Firma wird zuerst vom Reifenhersteller Michelin weitergeführt und später vom Erzrivalen Peugeot übernommen. Das erfolgreiche Modell "Ente" wird erst nach Citroëns Tod entwickelt.

Stand: 03.07.10