Das Deckblatt einer Bibel von 1834.

Stichtag

06. August 2009 - Vor 475 Jahren: Luthers Bibelübersetzung vollendet

Die ewige Seligkeit ist im 16. Jahrhundert eine teure Angelegenheit. Ob reich, ob arm: Wollen die Menschen für ihre Sünden nicht nach dem Tod bitter bezahlen, können sie sich und ihre Angehörigen schon zu Lebzeiten bei der Kirche von der drohenden Strafe freikaufen. Ansonsten steht ihnen das Schmoren im Fegefeuer bevor. So predigen es die Priester. Martin Luther ist anderer Meinung: Die Liebe und Gnade Gottes erfährt der Mensch durch sein Wort. Die Bibel verheißt Vergebung, auch ohne Spenden und Ablassbriefe, so Luther. Er verfasst dazu 95 Thesen - und bekommt deshalb Ärger mit Papst Leo X. und Kaiser Karl V., die ihn mit Kirchen- und Reichsbann belegen.

Als Luther 1521 beim Reichstag in Worms seine Thesen nicht widerruft, schwebt er in akuter Lebensgefahr. Sein Landesfürst Friedrich von Sachsen lässt ihn deshalb zum Schutz entführen und in der Wartburg bei Eisenach verstecken - unter dem Decknamen Junker Jörg. Luther hält sich dort vom 4. Mai 1521 bis zum 1. März 1522 auf und übersetzt das Neue Testament in "ein reines und klares Deutsch". Er stützt sich nicht nur auf die lateinische Version, sondern beschäftigt sich auch mit den hebräischen und griechischen Quellen. Dabei lässt er sich vom Griechisch-Kenner Philipp Melanchthon beraten. Mit ihm ringt er lange um treffende Formulierungen. Es sei häufig geschehen, "dass wir ein Wort bis zu 14 Tage, drei, vier Wochen lang gesucht haben", schreibt Luther später in seinem "Sendbrief vom Dolmetschen". Die Übersetzung des Neuen Testaments entsteht in wenigen Wochen auf der Wartburg, die Übersetzung des Alten Testaments dauert noch zwölf Jahre. Am 6. August 1534 kündigt Herzog Johann Friedrich von Sachsen in einem Dekret Druck und Verkauf der Luther-Bibel an.

Luther ist nicht der erste, der die Bibel ins Deutsche übersetzt. Die älteste Handschrift mit althochdeutschen Bibel-Auszügen ist 738 in einem bayerischen Kloster entstanden. Und 80 Jahre vor Luther wird in Augsburg eine deutsche Bibel gedruckt. Doch Luthers Übersetzung sticht alle vorherigen aus. Luthers Erfolg basiert auf seiner Volksnähe: "Man muss die Mutter im Hause, die Kinder auf den Gassen, den gemeinen Mann auf dem Markt fragen und denselbigen aufs Maul sehen, wie sie reden und danach dolmetschen, so verstehen sie es dann und merken, dass man Deutsch mit ihnen redet." Luther übersetzt nicht wortwörtlich, sondern sinnvoll und damit verständlich. Im 23. Psalm heißt es nach der vorlutherischen Bibelübersetzung: "Er führet mich ob dem Wasser der Wiederbringung." Luther macht daraus: "Er führet mich zum frischen Wasser."
Eine einheitliche deutsche Sprache gibt es damals noch nicht. Im 16. Jahrhundert müssen sich etwa Westfalen Briefe und Urkunden vom Bodensee übersetzen lassen. Luther schafft mit seiner Bibelübersetzung nicht nur ein grundlegendes Werk der Reformationszeit. Er prägt auch die deutsche Sprache und schafft eine Grundlage der deutschen Literatur. Jahrhunderte später bemerkt Johann Wolfgang von Goethe: "Die Deutschen sind ein Volk erst mit Luther geworden."

Stand: 06.08.09