11. November 2000 - Brandkatastrophe im Tunnel am Kitzsteinhorn

11. November 2000 - Auftakt zur Wintersaison am Kitzsteinhorn in Österreich. Blauer Himmel und viel Sonne. Ein Snowboard-Turnier lockt vor allem Jugendliche auf den Gletscher oberhalb von Kaprun. Gegen neun Uhr steigen die Wintersportler in die "Kitzsteingams", eine Standseilbahn, die durch einen Tunnel im Berg zum Gletscher in 2.400 Meter Höhe führt. Zwei Minuten nach der Abfahrt und schon tief im Tunnel bremst der Zug plötzlich. "Dann drang aus dem unteren Bereich des Zuges langsam Rauch empor. Zuerst ganz leicht, dann immer stärker", erinnert sich Thorsten Grädler. Flammen breiten sich rasend schnell aus. Jetzt entscheidet die Fluchtrichtung über Leben und Tod. Wer nach oben läuft, hat keine Chance. Denn durch den unteren Tunneleingang strömt ständig Luft nach, das Feuer wird dadurch weiter angefacht und frisst sich nach oben. Die Betonröhre wird zu einem riesigen Kamin. Nur wer im Tunnel nach unten läuft, kann sich retten.
Zwölf Passagieren gelingt die Flucht. Insgesamt 155 verbrennen oder ersticken - darunter 37 Deutsche. Auslöser der Katastrophe ist ein nachträglich eingebauter Heizlüfter im Führerhaus der Bahn. Dessen Ventilator ist aus ungeklärten Gründen gebremst oder blockiert worden. Mit dramatischen Folgen: Der Heizlüfter fängt Feuer. Durch die Hitze platzen dahinter liegende Leitungen mit Bremsflüssigkeit. Literweise spritzt das unter hohem Druck stehende Hydrauliköl heraus. Die Flammen erhalten immer neue Nahrung. Die Skikleidung vieler Passagiere ist leicht brennbar. Bei Temperaturen von mehreren hundert Grad bleibt selbst vom Gehäuse des Zuges kaum etwas übrig.

Es gibt keinen Fluchttunnel und keinerlei Brandschutzvorkehrungen; Feuerlöscher und Nothammer fehlen. Der Staatsanwalt erhebt Anklage wegen fahrlässiger Herbeiführung einer Feuersbrunst. Im Blickpunkt steht vor allem der Heizlüfter, ein Gerät mit Material- und Konstruktionsfehlern, das nur für den Hausgebrauch bestimmt war. Doch eine wirkliche Schuld will oder kann das Gericht niemandem nachweisen. Nach eineinhalb Jahren Prozess werden alle Angeklagten freigesprochen: der Chef der Seilbahngesellschaft und sein Betriebsleiter, der Hersteller der Waggons, die Monteure, die den Heizlüfter eingebaut haben, aber auch die Sachverständigen von  TÜV und österreichischen Behörden, die für die Sicherheit der Bahn verantwortlich sind. Die Begründung: Niemand musste erwarten, was - nach damaligem Stand der Technik - angeblich niemand erwarten konnte. Die Angehörigen sind fassungslos, als sie im September 2005 die Entscheidung des Oberlandesgerichts in Linz hören: Freispruch für alle 16 Angeklagten, das Urteil aus erster Instanz wird voll bestätigt. In Zivilprozessen hoffen die Hinterbliebene jetzt auf Schadenersatz.

Stand: 11.11.05