Caligula

Stichtag

24. Januar 41 n. Chr. - Ermordung des römischen Kaisers Caligula

Inneren Frieden und Wohlstand hinterlässt Augustus (27 v. Chr. - 14 n. Chr.) den Römern – aber auch ein in der Geschichte beispielloses Herrschafts-Dilemma: Der Haupterbe Cäsars steigt zum ersten Kaiser des Imperiums auf - die in blutigen Bürgerkriegen erkämpfte Verfassung Roms als Republik jedoch stellt er nicht in Frage. Diese paradoxe, offiziell geleugnete Gleichzeitigkeit von Monarchie und Republik führt zu einem heuchlerischen Staatsschauspiel, dem sein Urenkel Gaius Caesar Augustus Germanicus in einem grausamen Schlussakt zum Opfer fallen wird. Die Nachwelt nennt ihn Caligula (Stiefelchen), das wahnsinnige Scheusal.

Mummenschanz der Republik

Öffentlich begnügt sich der Diktator Augustus mit der Rolle eines primus inter pares, eines "elder statesman". Zugleich huldigt ihm der Senat unverhohlen als Kaiser, ohne die faktisch bestehende Monarchie anerkennen zu müssen. Unter Augustus’ Nachfolger Tiberius (14-37) jedoch artet diese paradoxe Staatsdoktrin zu einem unterwürfigen Buhl-Wettkampf der Senatoren um die Gunst des Kaisers aus. Untereinander liefern sich die Aristokraten-Familien infame, grausamen Machtkämpfe, denen tausende Bürger, darunter Mitglieder des julisch-claudischen Herrscherhauses, zum Opfer fallen. Der 12 n. Chr. geborene Caligula überlebt diese Terrorjahre nur mit Glück; seine Mutter und zwei ältere Brüder werden hingerichtet.
Nach dem Tod des greisen Tiberius wird Caligula 37 n. Chr. mit 24 Jahren zum Kaiser ausgerufen. Das so destruktive, vom Großvater Augustus initiierte, Verfassungstheater spielt er zunächst weiter. Tatsächlich aber nutzt Caligula seine kaiserliche Macht brutal und rücksichtslos aus. Als die entmündigten, vom Kaiser wegen ihrer heimtückisch-kriecherischen Ehrlosigkeit gedemütigten, Senatoren mehrere Verschwörungen gegen ihn anzetteln, lässt Caligula alle Masken fallen. In nie gehörter Offenheit zerstört er den kollektiven heuchlerischen Mummenschanz der Pseudo-Republik und konfrontiert den fassungslosen Senat gnadenlos mit dessen Verantwortung für die Massenmorde der Vergangenheit.

Der verleumdete Tyrann

Caligulas Entmachtungs- und Strafaktionen gegen die Aristokratie sind von Grausamkeit und sadistischer Lust an Entwürdigung geprägt. So erhebt er mit beißendem Spott sein Lieblingspferd Incitatus in aller Pracht zum Konsul. Die Frauen und Töchter der Senatoren nimmt er zum eigenen Schutz in seinem Palast als Geiseln. Geschichtsschreiber wie Sueton fabulieren 100 Jahre später daraus ein kaiserliches Bordell und charakterisieren Caligula für alle Zeiten als perverses, geisteskrankes Ungeheuer. Erst moderne Quellenforscher wie der Althistoriker Aloys Winterling entlarven Suetons Darstellung als Verleumdung eines zwar brutalen und bizarren, aber sicher nicht geisteskranken Kaisers.
Das Ende des absolutistisch herrschenden Caligula ist unausweichlich, als sich auch die in Ungnade gefallenen Anführer der kaiserlichen Prätorianergarde einer neuen Verschwörung des Senats anschließen. Am 24. Januar 41 wird der verhasste Tyrann in den Kellergängen eines Theaters von seiner eigenen Wache in Stücke gehauen. Nur 13 Jahre später kommt ein wirklich geisteskranker Kaiser in Rom an die Macht und besiegelt den Untergang der julisch-claudischen Dynastie: Nero.

Stand: 24.01.2011

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