Seine Paraderollen sind die elegant-blasierten Bonvivants und Snobs im Smoking. Näselnd im Tonfall und stilsicher bis in den kleinen Finger adelt Boy Gobert in den 50er- und 60er-Jahren seichte Kassenschlager wie "Monpti", "Alle lieben Peter" oder "Die Abenteuer des Grafen Bobby" mit seiner Klasse. Am Theater reüssiert er als Regisseur und Intendant, feiert Erfolge in großen Klassiker-Rollen und wird Mitglied des Wiener Burgtheaters. Der progressiven Kulturkritik bleibt Boy Gobert dennoch zeitlebens als bürgerlicher Populist verdächtig. Mit 60 Jahren liefert der Charaktermime als windiger Konsul in "Kir Royal" sein letztes Kabinettstück ab. Völlig überraschend stirbt Boy Gobert am 30. Mai 1986 an Herzversagen.
Lieber als mittelmäßiger Kaufmann in Hamburg gut leben, statt als mittelmäßiger Schauspieler zu dilettieren, warnt der hanseatische Senator Ascan Klée Gobert, als es seinen 1925 geborenen Filius nach Kriegsende zur Bühne zieht. Doch Christian Klée, genannt Boy, packt der Ehrgeiz und so geht er auf die Ochsentour durch die Provinztheater. An einer kleinen Privatbühne in Frankfurt am Main erlernt er schließlich das schauspielerische Handwerk von Grund auf und macht eine für seine weitere Karriere entscheidende Erfahrung: Gage wird nur gezahlt, wenn das Publikum kommt.
Dandy vom Dienst
Als Gobert 1955 mit "Ein Herz voll Musik" sein Filmdebüt feiert, strömen die Zuschauer in die Kinos und die Kasse stimmt. Fortan ist Boy Gobert auf der Leinwand auf die Rolle des Dandys vom Dienst abonniert, während er in den renommiertesten Theatern als Richard III. oder Mephisto brilliert. 1969 übernimmt er die Intendanz des Hamburger Thalia-Theaters, das er getreu seiner Devise "Ein Optimum an Kunst und Kasse" bis 1980 mit gehobenem Boulevard-Programm erfolgreich führt. Die jungen Wilden des politischen Theaters verachten das Thalia deshalb als "Hort der Reaktion", wie Goberts Weggefährte Jürgen Flimm erzählt. "Die Bude musste voll sein, das war sein Credo."
Der gescheiterte Konformist
Der angesagte Klassenkampf findet unter Goberts Leitung nicht statt; dennoch fördert er linke Autoren und Regisseure, die anderswo den Aufstand proben. Im Thalia-Theater und ab 1980 als Intendant der Staatlichen Schauspielbühnen Berlin engagiert Gobert Rebellen wie Peter Zadek und Hanns Neuenfels; Newcomern wie Luc Bondy oder Jürgen Flimm verhilft er zu ersten Erfolgen. Nach fünf Jahren verweigert der Berliner Senat seinem kassenorientierten Chefintendanten jedoch eine Vertragsverlängerung. Insgesamt zu wenig künstlerische Impulse, zu viel Konformismus, lauten die Vorwürfe.
Tief gekränkt und vom Feuilleton als ewiger Amüsieronkel geschmäht, kehrt Boy Gobert, seit 1981 österreichischer Staatsbürger, in seine Wahlheimat Wien zurück. Zur Spielzeit 1986/87 übernimmt er die Direktion des Theaters in der Josefstadt. Doch die Premiere erlebt er nicht mehr. Mitten in den Probenarbeiten ereilt ihn der plötzliche Herztod.
Stand: 30.05.2011
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