Ohne Fleiß kein Preis - und kein Vermögen: Wenn es ums Erben geht, dann sind sich Sozialisten und Liberale im Deutschen Kaiserreich erstaunlich einig. Den Sozialisten sind die arbeitsscheuen Privatiers, die vom Vermögen ihrer toten Eltern leben, ein Dorn im Auge. Und die Liberalen finden, dass allein die eigene Arbeit - und damit der Wohlstand im Schweiße des eigenen Angesichts - sich lohnen soll.
Auch der noch junge deutsche Staat braucht für seine neuen Aufgaben immer mehr Budget. Da trifft sich der Zeitgeist mit seinem Ruf nach "gerechteren Steuern" gut. Und es liegt nahe, auch bei Erbschaften staatliche Abgaben zu verlangen.
Die lange Hand des Fiskus
Der Gedanke einer Erbschaftssteuer ist nicht neu. Ihre Tradition lässt sich bis ins alte Ägypten zurück verfolgen. Erste Zeugnisse datieren auf etwa 700 vor Christus. Auch im Römischen Reich verdient der Fiskus am Tod seiner reichsten Männer und Frauen mit: fünf Prozent der Erbmasse kassiert der Staat. In Schweden werden im Mittelalter gar zehn Prozent fällig. Später gibt es in Preußen eine Erbschaftssteuer, ebenso wie in Österreich, Frankreich oder Großbritannien.
Nach der Gründung des Deutschen Reichs 1871 muss auch die Rechtssprechung harmonisiert werden. 1900 tritt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) in Kraft, das auch das Erbrecht im gesamten Staatsgebiet regelt. In diesem Zuge wird nach heftigen Diskussionen auch die Erbschaftssteuer vereinheitlicht. Am 3. Juni 1906 wird ein entsprechendes Gesetz erlassen. Die erste direkte Reichssteuer überhaupt ist eingeführt.
Verschärfung nach dem Weltkrieg
Modern am Erbschaftssteuergesetz ist der Gedanke der Progression: Mit dem Erbe steigt auch der Prozentsatz des fälligen Betrags. Trotzdem ist mit der neuen Einnahmequelle von 1906 der ganz große Staat nicht zu machen: Ehepartner und Kinder – und damit 80 Prozent aller Fälle – sind von der Abgabe befreit.
Erst nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg hält das angeschlagene Reich nicht nur bei Enkeln und Neffen, sondern auch bei Kindern und Ehepartnern die Hände auf. Trotzdem liegt der Anteil der Erbschaftssteuer am gesamten Steueraufkommen in Deutschland während des 20. Jahrhunderts nie über zwei Prozent.
Stand: 03.06.2011
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 3. Juni 2011 ebenfalls an das Erbschaftssteuergesetz. Auch das "ZeitZeichen" gibt es einen Monat lang als Podcast.