Stichtag

15. November 2010 - Vor 100 Jahren: Geburtstag von Hugh Carleton Greene

Wer es wagt, im Zweiten Weltkrieg den englischen Sender BBC im Volksempfänger einzustellen, hört zunächst die ersten Takte der 5. Sinfonie von Ludwig van Beethoven und dann die Stimme von Hugh Carleton Greene: "Hier ist England." Greene leitet während des Krieges das deutschsprachige Programm des Britischen Rundfunks. "Deutsche Knaben und alte Männer sollen gegen die kampferprobten Soldaten Englands, Amerikas, Russland und der anderen Alliierten in den Kampf geworfen werden", warnt er die Deutschen in ihrer Muttersprache. Greene und seine Mitarbeiter kämpfen mit Worten gegen die Nationalsozialisten und informieren die Deutschen über den Kriegsverlauf aus englischer Sicht. Greene betreibt psychologische Kriegsführung.

Gekommen, um sich überflüssig zu machen

Hugh Carleton Greene wird am 15. November 1910 in Berkhamsted, einer Kleinstadt nördlich von London, geboren – als jüngerer Bruder des Schriftstellers Graham Greene. Deutschland kennt er gut: 1929 hat er einen Sommer in Marburg verbracht und Deutsch gelernt. Ab 1933 arbeitet er als Deutschland-Korrespondent für britische Zeitungen; bis ihn die Nationalsozialisten 1939 ausweisen. 1946 kehrt er zurück: Die britische Militärregierung gründet in ihrer Besatzungszone den Nordwestdeutschen Rundfunk (NWDR) und beauftragt Greene, aus dem Sender eine BBC für Deutschland zu machen. Greene ist erst 36 Jahre alt. Sitz des NWDR ist Hamburg, zum Sendegebiet gehören außerdem die heutigen Bundesländer Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. In Berlin betreibt der NWDR eine Außenstelle, den Vorläufer des 1953 gegründeten SFB. Mit flachen Hierarchien und regelmäßigen Konferenzen gewinnt der Brite schnell das Vertrauen der deutschen Angestellten. Greene erklärt: "Ich sagte dem ganzen Personal in einer Versammlung im großen Sendesaal: Ich bin hergekommen, um mich überflüssig zu machen."

Greene kritisiert Einfluss der Parteien

Die Idee einer öffentlichen-rechtlichen Rundfunkanstalt ist neu für die Deutschen. Der NWDR soll unabhängig sein - vom Markt und vom Einfluss der politischen Parteien. Doch die Idealform, die Greene sich vorstellt, wird nie komplett umgesetzt. Als er im November 1948 den Deutschen die Leitung des NWDR überlässt, wird Adolf Grimme Generaldirektor und Heinrich-Georg Raskop Vorsitzender des Verwaltungsrats. Grimme hat ein Parteibuch der SPD, Raskop der CDU. Das war der Anfang einer Entwicklung, die Greene bis zum Ende seines Lebens mit Sorge betrachtet. "Ich finde, die Einführung des Proporzes in den deutschen Rundfunk eine sehr traurige Sache. Der Einfluss der Länderregierungen ist viel zu groß geworden." Nach seinem Abschied vom NWDR übernimmt Greene die Leistung des Osteuropadienstes bei der BBC und geht als Experte für psychologische Kriegsführung nach Malaysia. 1950 wird er für seine Verdienste im Kampf um Freiheit und Demokratie von der Queen zum Ritter geschlagen. In London macht er bei der BBC Karriere und steigt bis zum Generaldirektor auf. Bis zu seinem Tod im Jahr 1987 besucht er Deutschland und seine öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten regelmäßig.

Stand: 15.11.10