Henry Miller bei Dreharbeiten zu "Wendekreis des Krebses"

Stichtag

07. Juni 2010 - Vor 30 Jahren: Todestag von Henry Miller

"Von Anfang an war nichts anderes als Chaos: ein Fluidum, das mich einhüllte, das ich durch die Kiemen einatmete", schreibt der US-amerikanische Schriftsteller Henry Miller im Roman "Wendekreis des Steinbocks" (1939).

Und viel mehr: Miller liefert furiose Bücher ab, stark autobiografisch geprägte Sammelsurien; Szenen voller Sex, Lebenslust, Psychoanalyse und Gesellschaftskritik. Oft leidet die Struktur an seinen gewagten Gedankensprüngen. Zu krass finden Behörden und Verleger seine Texte, sie seien frauenfeindlich und pornografisch, seine Weltsicht sexistisch. In den USA erscheinen einige seiner Bücher erst knapp 30 Jahre nach der ersten Veröffentlichung im Ausland. In Deutschland werden sie als jugendgefährdende Schriften eingestuft. Miller gilt in den 60er Jahren als obszönster Schriftssteller der Weltliteratur.

Realität ist "verdünnte Scheiße"

Im New Yorker Stadtteil Brooklyn wird Henry Miller am 26. Dezember 1891 geboren. Seine Eltern sind Einwanderer aus Deutschland, der Vater betreibt eine Schneiderwerkstatt. Miller liest ausgiebig – von großer Literatur bis zum trivialen Schund. "Ich glaubte, die ganze Tragödie des Lebens sei in Büchern niedergeschrieben, und ich hielt das, was außerhalb der Bücher geschah, nur für verdünnte Scheiße", sagt er in einem Interview. Doch erste eigene Schreibversuche enden kläglich; auch beginnt er zweimal zu studieren und bricht wieder ab. Er trampt kreuz und quer durch die USA, nimmt verschiedenste Jobs an. Dann begegnete er in einem Variété June Smith, der großen Liebe seines Lebens. Miller verlässt seine erste Ehefrau und beginnt mit Smith ein abenteuerliches Leben: Ab 1928 leben sie als "American Exiles" in Paris, wohnen in feuchten Zimmern, verkaufen Gebäck und leben ansonsten von Junes Gagen als Tänzerin. Miller schreibt unzählige Artikel und Geschichten, die ihm aber niemand abkauft. Später lassen sich Smith und Miller scheiden.

"Wendekreis des Krebses"

1934 erscheint Millers Roman "Tropic of Cancer - Wendekreis des Krebses", ein Buch das alle damaligen Moralvorstellungen von Literatur angreift. Es ist, wie alle seine Bücher, stark autobiografisch geprägt. Freunde und Bekannte erkennen sich als überzeichnete Figuren wieder, das Leben diente als Material für seine Literatur: Miller ist der Historiker seines eigenen Lebens. Schriftstellerkollege Heinrich Böll sagt über ihn: "Es steckt ein guter Teil Dilettantismus in seiner Kunst. Miller ist völlig identisch, fast kongruent mit dem, was er schreibt und wie er schreibt." Miller heiratet noch dreimal, die letzten beiden Frauen sind fast 40 Jahre jünger als er selbst. Er stirbt am 7. Juni 1980 in Pacific Palisades in Kalifornien.

Stand: 07.06.10