Stichtag

04. Oktober 2010 - Vor 100 Jahren: Portugals König Manuel II. wird gestürzt

Wie er es gewohnt ist, fährt König Karl I. am Abend des 1. Februar 1908 mit seiner Familie im offenen Landauer durch Lissabon. Auf eine Militäreskorte verzichtet er, obwohl das Herrscherhaus bei vielen Portugiesen tief verhasst ist. Auf dem Praca do Comercio nahe des Tejo eröffnen Attentäter das Feuer auf die Kutsche des Monarchen. Von drei Kugeln getroffen, stirbt Karl I. auf der Stelle; Kronprinz Ludwig Philipp sinkt schwer verletzt über dem toten Vater zusammen und stirbt kurz darauf. Königin Amélie bleibt unbeschadet, ihr jüngster Sohn Manuel übersteht den Anschlag mit leichten Blessuren. Gegen seinen Willen muss der Achtzehnjährige nun als Manuel II. die Krone übernehmen. Doch die Herrschaft des letzten Königs von Portugal wird nur 31 Monate dauern.

Ein Putschversuch weckt Hoffnungen

Begonnen hat der Niedergang der Monarchie 1889 mit der Thronbesteigung seines als Regenten ungeeigneten Vaters Karl I. Nach nur einem Jahr sind viele Portugiesen von dem innen- wie außenpolitisch dilettierenden König so enttäuscht, dass es zur Gründung einer republikanischen Partei kommt. Ein Militärputsch gegen Karl misslingt zwar, schürt aber die Hoffnungen auf freie Wahlen sowie dringend erforderliche Maßnahmen gegen Armut, Arbeitslosigkeit und für Bildung. 80 Prozent der etwa fünf Millionen Portugiesen können weder lesen noch schreiben. Karl I., der mit seiner Familie trotz leerer Staatskasse einen extravaganten Lebensstil pflegt, schaut der stetig wachsenden Krise in seinem Land hilflos zu. Als der von ihm eingesetzte Diktator Joao Franco die Bezüge des Königs noch erhöht und ihm die in Jahrzehnten angehäuften Privatschulden erlässt, kocht die Volksseele über.

Zu spät für Reformen

Am 31. Januar 1908 rotten sich Republikaner und desillusionierte Monarchisten in Lissabon zum Sturz Karls I. und seiner Regierung zusammen. Auch dieser Aufstand misslingt, führt aber in der aufgeheizten Lage am folgenden Tag zum tödlichen Attentat auf der Praca do Comercio. Dem neuen, lebensunerfahrenen König Manuel II. fehlt zum Regieren jede Ausbildung. Ohne Unterstützung der heillos zerstrittenen monarchistischen Parteien entlässt er den verhassten Diktator Franco und leitet mit seiner "Politik der Beruhigung" einen Liberalisierungsprozess ein. Doch die Reformversuche, mit denen Manuel Autorität und Bestand der Monarchie retten will, kommen zu spät. Er ist noch kein Jahr im Amt, da gewinnen die Republikaner erstmals die Kommunalwahlen in Lissabon – ein Fanal für den endgültigen Sturmlauf auf die fast 800 Jahre währende Monarchie.Am 3. Oktober 1910 wird der republikanische Abgeordnete Miguel Bombarda unter ungeklärten Umständen ermordet. In der Nacht kommt es in Lissabon zu Aufständen aller Volksschichten, die vom Militär unterstützt werden. Als die eilends gebildete provisorische Regierung am 5. Oktober die Republik ausruft, weiß Manuel II. alles verloren. Mit der trotzigen Verkündung, seine Abreise sei keine Abdankung, besteigt der gestürzte König seine Jacht und segelt ins Exil nach England. Dort stirbt er 1932 kinderlos im Alter von nur 42 Jahren.

Stand: 04.10.10