Stichtag

09. Januar 1890 - Kurt Tucholsky wird geboren

Zu Adolf Hitler fällt Kurt Tucholsky nichts mehr ein. "So tief", wie Deutschland durch den Nationalsozialismus gesunken ist, kann der berühmte Satiriker "nicht schießen". Nach 1933 begegnet er der Wirklichkeit des Dritten Reiches aus der Einsamkeit des schwedischen Exils nur mehr in Briefen an seine Schweizer Freundin. "Ich habe mit diesem Land, dessen Sprache ich so wenig wie möglich spreche, nichts mehr zu schaffen", wird er schreiben. "Möge es verrecken – ich bin damit fertig."

Tucholsky wird am 9. Januar 1890 in Berlin geboren. Sein Vater, ein musisch begabter, humorvoller jüdischer Kaufmann, ist viel auf Reisen; seine herbe Mutter schenkt dem Jungen wenig Liebe. Die Schule absolviert Tucholsky ebenso lustlos wie ein Jura-Studium, das er 1915 mit der Promotion abschließt. Da hat er seine Leidenschaft fürs Schreiben längst entdeckt: Seine Erzählung "Rheinsberg. Ein Bilderbuch für Verliebte" (1912) über das gemeinsame Wochenende eines nicht miteinander verheirateten Paares hat ihn bereits berühmt gemacht. Den dortigen liebevoll verspielten, von sanfter Ironie durchsetzten Ton wird der Autor 1931 noch einmal für die Liebesgeschichte "Schloss Gripsholm" anzuschlagen wissen.Ansonsten nutzt der politisch links stehende Antimilitarist Tucholsky sein Talent eher, um mit der verlogenen Doppelmoral der wilhelminischen Gesellschaft radikal ins Gericht zu gehen. Als hilfreich erweist sich dabei die Bekanntschaft mit Siegfried Jacobsohn, dem Begründer der später in "Weltbühne" umbenannten Theaterzeitschrift "Die Schaubühne", den Tucholsky 1913 erstmals trifft. Er wird zu seinem schärfsten Kritiker und hilft ihm maßgeblich, seinen eigenen, treffsicheren Stil zu finden.Für die "Schaubühne" schreibt Tucholsky Theaterkritiken, Schauspielerporträts, Rezensionen, Aphorismen, Glossen und satirische Gedichte. Seinen Namen verbirgt er nicht selten hinter Pseudonymen wie Peter Panter, Ignaz Wrobel oder Kaspar Hauser – auch, um sich als Person bei der ungeheueren Produktivität etwas zurückzunehmen. An manchen Tagen erscheinen sechs verschiedene Artikel des Autors in der "Weltbühne". Die Abende verbringt Tucholsky in Lokalen und Kabaretts, um den dort auftretenden Schauspielern und Sängern Texte auf den Leib zu schreiben.

Gegen den Kriegseintritt Deutschlands 1914 schreibt Tucholsky ebenso an wie gegen den Kommunismus, die Weimarer Republik verspottet er als verkleidete Monarchie. Seit Anfang der dreißiger Jahre lebt er vorwiegend in Göteborg. In Schweden hört Tucholsky Hitlers Stimme im Radio: "Kein Humor, keine Wärme, kein Feuer", lautet sein Urteil. Als die Nationalsozialisten 1933 Bücher verbrennen, sind auch seine Werke dabei. Die Entwicklung in Deutschland macht den Autor schwer depressiv. Ende 1935 nimmt er sich mit einer Überdosis von Schlafmitteln das Leben.

Stand: 09.01.10