Stichtag

16. Juli 2010 - Vor 25 Jahren: Heinrich Böll stirbt in Kreuzau-Langenbroich

"Ich hatte eigentlich immer vor, Schriftsteller zu werden", sagt Heinrich Böll in seinem ersten Rundfunk-Interview 1953. "Ich habe auch während der Schulzeit in den letzten Jahren schon geschrieben." Die Nazi-Zeit prägt den Handwerker-Sohn, der am 21. Dezember 1917 in Köln geboren wurde. Nach dem Abitur beginnt er eine Buchhändlerlehre, wird aber 1938 zum Reichsarbeitsdienst und schließlich zur Wehrmacht eingezogen. Im Zweiten Weltkrieg wird er an der West- und Ostfront eingesetzt. 1945 kehrt der 27-Jährige in das zerbombte Köln zurück: "Ich habe das nicht als Stunde Null empfunden, sondern als Stunde Nichts." Mit seiner Literatur will Böll zur Entnazifizierung der Deutschen beitragen. Dabei geht der gläubige Katholik auch mit den Amtskirchen hart ins Gericht: "Die Konfessionen, behaupte ich, haben bis heute nicht begriffen, was ein Mensch ist." Anfang der 1950er Jahre wird er mit Kurzgeschichten wie "Wanderer kommst du nach Spa..." zu einem der wichtigsten Vertreter der Trümmer- und Kriegsheimkehrer-Literatur. Als Vorbild nennt Böll Marcel Proust, James Joyce und William Faulkner.

Im Visier der Springer-Presse

1959 gelingt Böll der Anschluss an die Weltliteratur: Sein Roman "Billard um halb zehn", eine Familiengeschichte über mehrere Generationen hinweg, leuchtet die verdrängten Abgründe der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts aus. Böll sucht als Schrifsteller "nach einer bewohnbaren Sprache in einem bewohnbaren Land." Dabei warnt er vor einer Vereinnahmung durch eine gebildete Elite: "Ich glaube, dass der Autor [...] sich immer gleichstellen muss mit den nicht-privilegierten Menschen." Nach dem Erscheinen seines Romans "Gruppenbild mit Dame" erhält Böll 1972 den Literaturnobelpreis - als erster Deutscher nach dem Zweiten Weltkrieg. Im gleichen Jahr gerät er ins Visier der Springer-Presse: Sie attackiert ihn als geistigen Vater der Rote-Armee-Fraktion (RAF), nachdem Böll in einem Spiegel-Artikel über ein mögliches "freies Geleit" für das RAF-Mitglied Ulrike Meinhof nachgedacht hat. Bölls Reaktion: Mit seiner Erzählung "Die verlorene Ehre der Katharina Blum oder: Wie Gewalt entstehen und wohin sie führen kann" stellt er die Methoden der Bild-Zeitung an den Pranger. Das erfolgreiche Buch wird von Regisseur Volker Schlöndorff verfilmt.

"Demokratie und Sozialismus"

1974 nimmt Böll den ausgebürgerten Sowjet-Dissidenten Alexander Solschenizyn in seinem Haus im Eifelort Kreuzau-Langenbroich auf. Zwei Jahre später bringt Böll seine politische Sehnsucht auf die Formel: "Demokratie und Sozialismus". Er warnt vor einem ungebremsten Kapitalismus, vor einem Wirtschaftswachstum, das "wie Krebs wuchert". Böll wird Teil der Friedensbewegung, die in den 1980er Jahre gegen den Rüstungswettlauf zwischen Ost und West protestiert. In einem Gespräch mit Schriftstellerkollege Siegfried Lenz kritisiert er 1982, die meisten Menschen stünden der gesellschaftlichen Entwicklung widerstandlos gegenüber: "Wir denken immer nur bei Diktatur an Widerstand. Den Widerstand in der Demokratie haben wir noch nicht entdeckt."Mit seinen späten Romanen "Fürsorgliche Belagerung" und "Frauen vor Flußlandschaft" kann Böll nicht mehr an seine großen Erfolge anschließen. Sein Gesundheitszustand verschlechtert sich mit jedem Jahr. Er stirbt am 16. Juli 1985 im Alter von 67 Jahren an den Folgen eines langjährigen Gefäßleidens in seinem Landhaus in der Eifel. Obwohl er 1979 aus der Kirche ausgetreten war, erhält er ein kirchliches Begräbnis.

Stand: 16.07.10