Stichtag

12. Juli 2010 - Vor 5 Jahren: Willi Heinrich stirbt in Dobel

Was seinen klar strukturierten Tagesablauf angeht, ist Willi Heinrich ein Beamter. Bevor seine Frau aufsteht, trinkt er einen Kaffee, dann geht er zwei Stunden mit dem Hund spazieren. Nach der Rückkehr gibt es Mittagessen, dann setzt sich der Autor an den Schreibcomputer. Abgesehen von einer dreiviertelstündigen Pause bleibt er dort sitzen, bis zum Abendessen und danach oft noch bis Mitternacht: tagaus, tagein, jahrzehntelang.

Alle zwei Jahre wirft Will Heinrich so ein Buch auf den Markt: Lektüre, die ihm nicht zuletzt dank Verträgen mit Buchclubs aus den Händen gerissen wird. In den siebziger Jahren ist er einer der beliebtesten deutschen Autoren.

"Steiner – Das eiserne Kreuz"

Geboren wird Heinrich 1920 in Heidelberg. Zunächst arbeitet er in der Lebensmittelbranche, 1939 wird er als Soldat eingezogen. Seine Kriegserfahrungen an der Ostfront verarbeitet er im Roman "Das geduldige Fleisch", der 1955 erscheint; zuvor hatten elf Verlage das Manuskript abgelehnt.

"Das geduldige Fleisch", dessen Held als Unteroffizier gegen die sinnlosen Mechanismen des Krieges und die Absurditäten innerhalb soldatischer Strukturen kämpft, macht Heinrich über Nacht zum erfolgreichen und finanziell unabhängigen Autor, der auch international Beachtung findet. In 20 Sprachen wird sein Debüt übersetzt. Unter dem Titel "Steiner – Das Eiserne Kreuz" kommt die Romanverfilmung mit James Coburn, Maximilian Schell, David Warner und Senta Berger in den Hauptrollen erfolgreich in die Kinos.

Provokante Unterhaltung

Wie Johannes Mario Simmel, so setzt sich auch Willi Heinrich in seinen gut 30 Büchern mit gesellschaftlich relevanten Themen auseinander. Es geht um Neofaschismus und Machtmissbrauch, Ausländerfeindlichkeit und die Möglichkeit, ein richtiges Leben im falschen zu finden – dort, "wo die Populisten nicht an der Regierung sind. Wo auf den Bergen schöne Schlösser und noch Männer wachsen, wie mein Vater einer war". Der Roman "Gottes zweite Garnitur" (1964) widmet sich der angefeindeten Liebe einer deutschen Medizinstudentin zu einem farbigen US-Soldaten, "Puppenspiele" (1993) stellt die lesbische Liebe ins Zentrum: "Ich sehe mich als Autor", wird Heinrich später von sich sagen, "der mit seinen Büchern in unserer Gesellschaft provozieren möchte".

Am Ende allerdings kommen diese Provokationen im Mantel seichter Unterhaltung nicht mehr an. Heinrichs Romane liegen wie Blei in den Regalen, er selbst wirft seinem Verleger vor, die Rechte an seinen Büchern verramscht zu haben. Seine Penthouse-Wohnung muss zwangsversteigert werden. Verschuldet stirbt Willi Heinrich am 12. Juli 2005 in Dobel im Landkreis Calw. Die Weltauflage seiner Bücher liegt bei rund 30 bis 40 Millionen Exemplaren.

Stand: 12.07.10